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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer
Autoren: Berte Bratt
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in dem schönen, gekachelten Badezimmer tummeln zu dürfen. Das war doch etwas anderes als zu Hause, wo man nicht einmal seine kalte Morgendusche beenden konnte, ohne daß Esther oder Tor an die Tür trommelten:
    „Unni, mach fix! – Beeil dich, Mädchen! – Ich komm’ zu spät in die Schule! – Unni, hab’ ich meinen Kamm drin liegenlassen? Gib ihn mir bitte durch den Türspalt! – Unni, du mußt rasch Frühstück machen, Vati ist schon aufgestanden!“
    Da blieb einem nichts anderes übrig, als sich im Nu den guten alten Bademantel überzuwerfen und quer über den eiskalten Flur in Esthers und mein Zimmer zu rennen und sich anzuziehen. Der grüne Anstrich der alten Kinderzimmermöbel war schadhaft, die beiden schmalen Betten standen hintereinander an der Wand, und in der Kommode besaß jede zwei Fächer. Der Spiegel war zu klein, um sich in ganzer Figur darin zu sehen.
    Ich lag in dem wohlig-warmen Wasser und genoß meine neue Lebenslage. Plötzlich fiel mir die Flasche mit dem Badesalz ein. Ich sprang aus der Wanne und huschte auf pitschnassen Füßen über den Teppich, kehrte in meinem Koffer das Unterste zuoberst und fand schließlich das Badesalz. Nachdem ich eine ordentliche Portion von den hellgrünen Kristallen ins Wasser geschüttet hatte, begann ich, mich selbst als Millionär zu fühlen.
    Inzwischen war es ziemlich spät geworden. Im letzten Augenblick entschloß ich mich, statt des Kostüms das hübsche blaue Kleid anzuziehen. Also wieder den Koffer umgekehrt! Natürlich den verkehrten! Hier fand ich nur den Wintermantel und den Overall, fleckig und abgenutzt, aber ich hatte ihn trotzdem mitgenommen. Man weiß ja nie im voraus, was man vielleicht brauchen wird. Ich fand außerdem die Stoffreste, die Mutti mir vernünftigerweise mitgegeben hatte, falls etwas ausgebessert werden mußte. In dem Koffer befanden sich auch die schweren Winterstiefel, die warme Unterwäsche und die dicken Flanellnachthemden, die ich nicht ausstehen kann, die ich aber trotzdem trage, weil ich eine brave und folgsame Tochter bin, und weil ich bei offenem Fenster schlafe. Ein Glück, daß ich Louise nicht ans Auspacken gelassen hatte! Der fleckige Overall und der rosa Flanell wären ja ein idealer Gesprächsstoff für die Küche geworden!
    Hinab auf den Grund des anderen Koffers! Da lagen die seidene Unterwäsche und überhaupt die besseren Dinge. Und – richtig – dort fand ich auch das blaue Kleid, sorgfältig zusammengelegt und mit Seidenpapier zwischen den Falten. – Jetzt brauchte ich mir nur noch die Haare zu bürsten, und da schlug es auch schon zehn Uhr. Ich hatte keine Zeit mehr, Ordnung zu machen, weder im Bad noch im Schlafzimmer, aber das konnte ich ja nach dem Frühstück tun. Also lief ich die breite Treppe hinab, suchte mir eine Tür aus und öffnete sie. Ich hatte Glück – es war wirklich das Speisezimmer.
    Ein großes, leeres Eßzimmer, dunkle Paneele und Goldledertapete und hochlehnige Stühle, ebenfalls mit Goldlederbezug. An der einen Schmalseite ein großes Gemälde, an der anderen ein wunderschöner, geschnitzter Schrank. Parkettfußboden und – ein kleiner, gedeckter Tisch in dem weitläufigen Halbdunkel mit zwei Gedecken.
    Plötzlich fuhr ich zusammen. Was war das für ein Geräusch? Es klang, als kratzte etwas an der Tür. Ich ging hin und öffnete, und herein stürzte ein kleines, strubbeliges Knäuel, ein komisches, unbestimmbares Etwas mit langen, weichen Haaren.
    „Hallo!“ sagte ich.
    „Woff!“ antwortete das Knäuel. Zuerst beschnupperte es meine Schuhe – höher konnte es nicht hinaufreichen – , dann trottete es weiter und legte sich vor den Kamin, in dem ein lustiges Birkenholzfeuer knisterte.
    Ich hockte mich neben den Hund auf den Boden. Tiere mag ich ohnehin sehr gern, und gerade jetzt war ich besonders froh, so ein Geschöpf getroffen zu haben, mit dem man gleich gut Freund sein konnte. Wir unterhielten uns ein bißchen, das Hündchen und ich. Unter seinen langen, seidenweichen Ponyfransen hervor blitzten mich ein Paar kluge, nußbraune Augen an. Eine Weile musterten sie mich kritisch, dann leckte es prüfend meine Hand. Ich kraulte den Hund hinter dem Ohr, und er blinzelte anerkennend. Damit war die Freundschaft geschlossen.
    Louise zerstörte dieses Idyll. Sie kam mit irgend etwas herein, das sie auf den Tisch setzte.
    „Die gnädige Frau hat schlecht geschlafen und hat Kopfschmerzen“, erklärte sie, „aber sie wird bald kommen.“
    Aha! Sollte das etwa ein Vorwurf
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