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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake
Autoren: Dana Phillips
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Gesichtszüge zu deuten: Die Mienen meiner neuen Freunde, die unter ihren Sonnenschirmchen in akkuraten Zweierreihen hinter mir herlaufen, bleiben unbeweglich.
    Die Tatsache, dass sie mir so brav folgen, ohne zu fragen, wohin ich sie führe, ohne Wünsche oder Begehren anzumelden, kann ich mir zwar mittlerweile erklären, ganz geheuer ist mir diese Selbstaufgabe aber immer noch nicht. Und momentan setzt sie mich ziemlich unter Druck, denn ohne sich abzusprechen, haben sie beschlossen, die Fremde in der Ferne zur Fremdenführerin zu machen. Eine Entscheidung, die durchaus einer eigenen Logik folgen mag, für mich aber Verantwortung mitbringt, die ich an dieser Stelle gerne abgelehnt hätte, denn ich kenne Kuba genauso gut wie Castrop-Rauxel, nämlich gar nicht. Ich muss langsam gehen, Nachzügler im Blick haben und zum Beispiel Gaki, die gerade an einer Straßenecke von einem jungen, gut gekleideten Kubaner angesprochen wird, zur Eile treiben. Das Mädchen gehorcht zwar auch umgehend, schließlich wäre es unverzeihlich, die Gruppe aufzuhalten, aber ihr neuer Freund ist hartnäckig und läuft neben ihr her, bis die beiden zu uns aufschließen. Sein weißes Hemd leuchtet in der Sonne, als er vor uns stehen bleibt.
    Fleckenfreie Wildledermokassins im kubanischen Straßenstaub. Statt sich von Gaki zu verabschieden, stellt er sich als Yolexy vor, was von Seiten der Japaner mit einer tiefen Verbeugung erwidert wird. Wir stehen auf dem Bürgersteig, Yolexy auf der Straße, die kaum befahren ist. Allein, denn Gaki hat sich, auf eine Kopfbewegung von Kyoko hin, wieder in den Tross eingereiht. Yolexy lacht uns an, mit weißen Zähnen, die Locken auf seinem Kopf wippen hin und her. Auch er versprüht diese intensive, fast schon aggressive Energie, die überall in den Gassen zu spüren ist. Er fragt, woher wir kommen, was wir machen, wohin wir wollen. Statt zu antworten, sehen die Japaner wie auf Kommando zu mir, was mich dazu nötigt, die nächsten zehn Minuten, während wir langsam weiterlaufen, zu erklären, wer wir sind, was wir machen und woher wir kommen. Yolexy hört aufmerksam zu, ist interessiert, fragt nach. Gaki, dicht hinter ihm, strahlt stolz, als hätte sie uns gerade ihren Verlobten präsentiert. Nur ab und zu unterbricht er mich, um uns ein wenig von der Geschichte Havannas zu erzählen, auf eines der umliegenden Gebäude aufmerksam zu machen oder sich nach dem ein oder anderen deutschen Fußballspieler zu erkundigen.
    Aber mir ist der gut gelaunte Begleiter suspekt. Während ich mit ihm spreche, beobachte ich ihn argwöhnisch aus den Augenwinkeln. Was will der von uns? Er muss etwas vorhaben; ich kann mir kaum vorstellen, dass er nichts Besseres zu tun hat, als den Tag mit ein paar japanischen Touristen und mir zu verbringen. Ob er ein Taschendieb ist? Wie gutgläubig die Japaner sind, ist weltweit bekannt, gerne und oft werden sie Opfer von Kleinkriminellen, und ich würde sie am liebsten ermahnen, auf ihre Sachen achtzugeben, besonders Gaki, die gerade vor einer Getränkebude stehen geblieben ist und in aller Öffentlichkeit ihre Geldscheine zählt. Aber das wäre natürlich mehr als unhöflich Yolexy gegenüber. Ein Gedankengang, den ich vor meiner Reise bestimmt nicht gehabt hätte, aber ein Aufenthalt unter Japanern erzieht ohne Zweifel zur Rücksichtnahme, wenn auch manchmal zur falschen.
    Doch der Kubaner hält sich von sämtlichen Taschen und Geldscheinen fern, stattdessen führt er uns in eine Seitenstraße, in der sich eine uralte Apotheke, das pharmazeutische Museum von Havanna, befindet und erläutert sach- und fachkundig die ausgestellten Exponate. Ob er sich jetzt den ganzen Tag an unsere Fersen heftet und am Ende des Tages Geld für seine Dienste als Fremdenführer verlangt? Das hätte natürlich den großen Vorteil, dass ich meine Verantwortung für den restlichen Vormittag abgeben könnte. Andererseits widerstrebt es mir, mich austricksen zu lassen. Auch die Japaner scheinen sich ein wenig unwohl zu fühlen. Dennoch, das weiß ich genau, wird keiner von ihnen es wagen, etwas zu sagen. Zu unhöflich! Lieber würden sie den ungebetenen Begleiter hinnehmen und am Ende bezahlen, als einen Konflikt durchzustehen, sei er auch noch so klein. Also bleibt alles wieder an mir, der ungehobelten, lauten Deutschen hängen, aber das bin ich mittlerweile ja schon gewohnt.
    Trotzdem – auch mich hat die Reise sanftmütiger gemacht. Ich entscheide mich daher dafür, Yolexy nicht vor den Kopf zu stoßen. In
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