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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake
Autoren: Dana Phillips
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war sofort Feuer und Flamme. »Außerdem hast du doch im vergangenen Jahr diese hübsche Reportage ›Do Italians better?‹ über die italienischen Latin-Lover geschrieben. Was für eine Blutgruppe hast du?« Er zückte eifrig den Kugelschreiber.
    Über Carlas Gesicht glitt ein Lächeln. »Gute Idee«, sagte sie, noch bevor ich Gelegenheit hatte zu antworten. »Du schreibst die Reportage über das japanische Kreuzfahrtschiff, berichtest über japanische Sitten, Riten und Traditionen. Und die Kochrezepte für dein Ressort kannst du vor Ort auch viel besser recherchieren als hier.«
    »Ich spreche kein Wort Japanisch. Und ich habe Flugangst!«, versuchte ich abzuwehren, obwohl ich schon ahnte, dass die Schlacht längst verloren war.
    »Das macht nichts.« Carla, die unsere Sitzung als beendet ansah, war aufgestanden. »Für die Reportage ist es besser, wenn du so unvoreingenommen wie möglich an die Begegnung mit dem Fremden heran gehst. Überleg es dir bis morgen.«
    Als ich an diesem Abend die Redaktion verließ, war ich fest entschlossen, den Auftrag abzulehnen. Dana allein in Japan. Was für eine irrwitzige Idee! Ich bin schließlich keine Reise- sondern Foodjournalistin und Ökotrophologin. Die Italienreportage, die ich vor einiger Zeit geschrieben habe, war eine Ausnahme. Zudem verspürte ich keinerlei Bedürfnis, mit tausend Japanern den Ozean zu überqueren. Aber nach einem quälenden Telefonat mit meinem italienischen Freund Raffaele, der in Mailand lebt und mit dem ich seit einem Dreivierteljahr eine Fernbeziehung führe, lag ich die halbe Nacht lang wach und weinte in mein Kopfkissen. Als der Morgen dämmerte und ich immer noch kein Auge zugetan hatte, beschloss ich, dass jetzt möglicherweise genau der richtige Moment für eine Auszeit gekommen war.
    Und da sitze ich nun, über den Wolken, gespannt auf den Kulturschock, der mich außerhalb meiner Komfortzone erwartet. Immerhin geht mein Puls langsam wieder gleichmäßiger.
    Kyohei greift neben sich und fischt etwas zwischen den Sitzen hervor. »Möchtest du?«
    »Was ist das?« Neugierig beuge ich mich zu ihm hinüber.
    »Ein Onigiri . Ein japanischer Reis-Snack, mit Algen umwickelt und zum Beispiel mit Lachs gefüllt.« Geschickt zieht Kyohei die Verpackung ab und verschlingt das dreieckige Reisteilchen mit zwei Bissen. Ich versuche es ihm nachzumachen, aber natürlich zerfällt mein Onigiri in zwei Teile, die ich nun mühselig von meinem blauen Rock klaube.
    »Ich nehme an, du warst noch nie in Japan?«
    »Weshalb? Weil ich nicht in der Lage bin, anständig japanische Reistaschen zu essen?«
    Kyohei lacht. »War nur so eine Vermutung.«
    »Ich war wirklich noch nie in Asien. Ich bin Journalistin und arbeite für eine Frauenzeitschrift, die Komplizin . Für die soll ich eine Reportage über Japaner schreiben. Oder besser: Über die Unterschiede zwischen der deutschen und der japanischen Kultur. Deswegen fahre ich für knapp zwei Monate auf einem japanischen Kreuzfahrtschiff mit. Wir legen in Yokohama ab und weil das in der Nähe von Tokio ist, recherchiere ich dort noch ein paar Tage für unser Heft.« Kyohei lacht wieder.
    »In Tokio wirst du mit Sicherheit einiges über meine Landsleute herausfinden. Die sind manchmal ganz schön seltsam. Aber eine Kreuzfahrt? Meinst du nicht, das ist langweilig auf Dauer? Auf diesen Schiffen sind doch meistens nur alte Leute.«
    »Auf diesem nicht. Das Peaceboat fährt dreimal im Jahr um die Welt, um Menschen aus verschiedenen Nationen miteinander zu verbinden und sich für Frieden einzusetzen. Wir fahren von Yokohama aus nach Tahiti, Peru, Panama, Jamaika und Kuba. Von dort aus fliege ich zurück, aber das Peaceboat fährt mit den restlichen Passagieren weiter um den Erdball, über Afrika und Europa zurück nach Japan.«
    Ein Funkspruch unterbricht unser Gespräch. Kyohei richtet seinen Blick geradeaus, und auch ich schaue wieder hinaus ins Freie. Draußen bricht bereits die Morgendämmerung an. Schon bald ist der Himmel in glutrotes Licht getaucht. Unter uns wird erst schemenhaft, dann deutlicher, Land sichtbar.
    »Die Inseln, die du dort unten siehst, das ist Japan. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis wir landen«, sagt Kyohei und komplimentiert mich sanft aber bestimmt aus dem Cockpit.

Lost in Translation, oder: Wieso zwischen Deutschland und Japan Welten liegen
    Eine Kolumne von Dana Phillips
    Liebe Komplizinnen! Zwischen alter Tradition und modernem High-Tech ist Japan ein gleichermaßen faszinierendes wie
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