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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake
Autoren: Dana Phillips
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den Stand der Autovermietung, um den Wagen abzuholen, den ich von Deutschland aus bestellt habe und mit dem ich die 60 Kilometer vom Flughafen bis in die Innenstadt von Tokio zurücklegen will. Endlich am Counter der Mietwagenfirma angelangt, falle ich aus allen Wolken: Die Frau am Schalter spricht zwar englisch, das Navigationssystem in meinem Auto hingegen nicht. Verblüfft starre ich sie an.
    »Wie soll ich denn dann mein Ziel eingeben und woher weiß ich, welcher Route ich folgen muss?«
    »Ahhhh!«, entfährt es der Dame am Counter, und ihr verständnisvolles Ahh klingt sehr japanisch.
    Sie scheint das Problem erkannt zu haben, bückt sich hinter ihrem Tresen, öffnet eine Schublade und taucht wenig später mit einem Ordner in der Hand wieder auf.
    »Das ist die Bedienungsanleitung für Ihren Wagen. Sie ist zwar auch auf Japanisch, aber ich übersetze Ihnen einfach, was die Zeichen bedeuten.«
    »Sehr gut!« Ich bin erleichtert. »Haben Sie einen Stift? Dann mache ich mir direkt ein paar Notizen.« Die Japanerin sieht mich erschrocken an und zieht den Ordner unter meinen Händen fort.
    »Nein, das geht nicht, der muss hier bleiben! Den dürfen wir nicht weitergeben. Aber ich kann die japanischen Zeichen übersetzen, und Sie können sich einfach ihre Bedeutung merken.« Es dauert eine Weile, sie davon zu überzeugen, dass ich schon genug damit zu tun habe, mich daran zu erinnern, um was für ein Modell es sich bei meinem Mietwagen handelt, und dass ich mit hundertprozentiger Sicherheit kein einziges Zeichen mehr wiedererkenne, wenn ich mit meinem Gepäck auf dem Parkplatz angekommen bin. Schließlich gibt sie nach, steht auf und begleitet mich zu meinem Auto. Dort tippt sie den Zielort des Hotels in das Navigationssystem ein. Etwas verlegen murmelt sie, so würde ich Akasaka, das Viertel in dem ich wohne, wohl finden. Dann verbeugt sie sich dreimal und sucht das Weite. Ich verstaue mein Gepäck im Kofferraum und laufe zielstrebig auf die linke Seite des Wagens, nur um festzustellen, dass sich das Steuer auf der rechten Seite befindet. In Japan herrscht offensichtlich Linksverkehr. Mir ist nicht ganz klar, warum ich davon nicht vorher erfahren habe! Ebenso unklar ist mir, wie ich es auf diese Weise bis nach Tokio schaffen und gleichzeitig auch noch die japanischen Schriftzeichen entziffern soll. Aber da mir nichts anderes übrig bleibt, reihe ich mich auf der richtigen Seite in den Verkehr ein, in der Hoffnung, dass auch die Autos vor mir die Hauptstadt und nicht Hokkaido, die nördlichste Region Japans, zum Ziel haben.
    Die Fahrt ist anstrengend, obwohl nicht sehr viel Verkehr herrscht. Da von Tokio auch nach zwanzig Minuten auf der Autobahn immer noch nichts zu sehen ist, steuere ich die nächste Raststätte an. Ich habe Durst, aber der Verkäufer spricht kein Englisch, und so stehe ich zum zweiten Mal an diesem Tag ratlos vor blinkenden Leuchttafeln, auf denen in japanischen Schriftzeichen unidentifizierbare Snacks angepriesen werden. Kurz überlege ich, mir etwas aus einem der Automaten neben der Tür zu ziehen. Als ich aber feststelle, dass die einzelnen Fächer nicht nur, wie bei uns üblich, kalte Getränke, sondern auch heißen Kaffee oder Tee in Dosen enthalten, die tagelang warm gehalten werden, nehme ich von dem Gedanken Abstand, meine Experimentierfreudigkeit hält sich momentan noch in überschaubaren Grenzen. Das Hotel zu finden ist Herausforderung genug , denke ich, während ich den Wagen starte und mich wieder in den Verkehr einfädele. Zu meiner Erleichterung leiten mich die leuchtenden Pfeile des Navigationssystems, die alle japanischen Ansagen der elektronischen Stimme begleiten, tatsächlich nach Tokio-Akasaka.
    Ich bin heilfroh, als ich endlich mein Hotel erreicht habe und den Wagen hinter dem Gebäude abstellen kann. Dann wuchte ich meine beiden Reisekoffer ins Freie. Mal zerrend, mal schiebend bugsiere ich sie in die Lobby. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis ich an der Rezeption einchecken kann. Nachdem ich kurz davor bin, die Geduld zu verlieren, weist die Dame hinter dem Tresen mir ein Zimmer zu. Nr. 71 ist so groß wie eine Streichholzschachtel. Es erfordert einiges Geschick, mein Gepäck und mich in dem Raum unterzubringen. Davon, dass Wohnungen in Tokio sehr klein und teuer sind, habe ich schon gehört, für Hotelzimmer scheint das Gleiche zu gelten. Auch das Bad ist winzig. Merkwürdigerweise hat es trotzdem eine Wanne. Ist den Japanern das Baden so wichtig, dass sie wertvolle
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