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Aber bitte mit Sake

Aber bitte mit Sake

Titel: Aber bitte mit Sake
Autoren: Dana Phillips
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auf, um eine Holzplatte mit japanischen Zeichen zu beschreiben und sie an der Längsseite des Schreins zu befestigen, wo bereits unzählige weitere Holztafeln hängen. Was wohl auf ihnen geschrieben steht? Gebete? Wünsche? Die Frauen bewegen sich langsam zu einem Souvenir-Stand, wo sie eine längliche Holzbox schütteln, aus der zwei Stäbe fallen, die sie dann der Verkäuferin reichen. Im Gegenzug erhalten sie bedruckte Papierstreifen, die sie hurtig entfalten und aufmerksam studieren. Ich versuche mich nach ihrer Bedeutung zu erkundigen, aber natürlich spricht die Verkäuferin kein Englisch. Immerhin überreicht sie mir ein Papier, auf dem die Regeln für den Schreinbesuch auf Englisch erklärt werden. Ich habe mich natürlich bisher in keinem Punkt ordnungsgemäß benommen. Also noch mal von vorne. Zuerst zurück zu dem Waschbecken. Wasser in eine Kelle schöpfen und erst über die rechte, dann über die linke Hand gießen. Danach mit der rechten Hand Wasser in die Linke gießen und damit den Mund auswaschen. Und dann noch einmal mit der linken Hand eine Kelle Wasser über die rechte Hand geben. Anschließend das Areal überqueren, zum Honden , dem Bereich, der dem Kami , der verehrten Gottheit vorbehalten ist. Ihn darf man nicht betreten. Stattdessen soll ich in der dem Honden vorgelagerten Gebetshalle, der sogenannten Haiden , verweilen. Hier kann man einen Wunsch an den Kami richten, muss natürlich auch dafür besondere Verhaltensregeln beachten: Zuerst eine Münze in die dort aufgestellte Holzkiste, die Saisen-Bako , werfen. Dann die Glocke läuten und zweimal in die Hände klatschen. Angeblich macht man die Gottheit damit auf sich aufmerksam. Zum Abschluss muss man sich zweimal verbeugen. Was es mit den Holzplättchen und den Holzstäbchen auf sich hat, wird allerdings nicht erläutert.
    »Sprechen Sie Englisch?«, versuche ich es bei einer der Schreinbesucherinnen, aber statt mir zu antworten kichert sie nur und verbeugt sich. Weshalb spricht eigentlich in einer modernen Metropole kein Mensch Englisch? Sind die Japaner immer noch so abgeschieden auf ihren Inseln im Pazifik, dass sie die Weltsprache ignorieren? Ich weise auf die Holzkiste mit den Stäben und male ein Fragezeichen in die Luft. Die Geste scheint der jungen Dame im Kimono etwas zu sagen.
    »Ahhhhh. Omikuji! Fortune! Fortune!« Na bitte. Wenn ich sie richtig verstanden habe, handelt es sich um eine Zukunftsvorhersage, eine Art Lotterie-Orakel. Ich nehme die Holzbox und schüttele sie so lange, bis ein Stab herausfällt, auf dem eine blaue Nummer eingraviert ist. Messerscharf kombiniere ich, dass zu jedem der Stäbe eine bestimmte Botschaft gehört, und tatsächlich erhalte ich nun von der Verkäuferin einen Papierstreifen.
    » Omikuji« , sagt sie und deutet auf die Schrift. Aber es fehlt eine Übersetzung. Da steht mein Schicksal schwarz auf weiß geschrieben und ich kann es nicht lesen!
    »Was heißt das?«, versuche ich es noch einmal, obwohl ich genau weiß, dass die Chancen auf eine zufriedenstellende Antwort bei Null liegen. Immerhin nimmt sie mir den Zettel ab und studiert ihn gründlich.
    »Ahhh«, raunt sie dann wie zu erwarten und zeigt auf die Schriftzeichen. »Good luck, good luck«.
    Das ist alles? So viele Zeichen nur für ein bisschen Glück? Steht dort nichts über meine Weltreise mit tausend Japanern? Kein Wort über meinen Freund, Raffaele, und mich? Ein wenig enttäuscht falte ich den Zettel und stecke ihn in die Hosentasche. Dann verabschiede ich mich von der Verkäuferin, die mein Winken mit einer tiefen Verneigung erwidert. Am Ausgang des Schreins begegne ich einem alten Mann mit Hut, der mir den Weg versperrt.
    »Wohel?«, fragt er mich und lächelt mich an. »Amelica?«
    »Germany!«
    »Ahhhh, doitsu, doitsu! Ahhhh« , macht er, dann zeigt er auf sich. »Osaka!« Es dauert ein Weilchen, bis ich begreife. »Stadt?«, fragt er und sieht mich abwartend an.
    »Ah, ah«, mache nun auch ich und zeige auf meine Brust.
    »Berlin.«
    »Ahhhhhh. Bellin. Sosososososo.« Er nickt und reicht mir seine Visitenkarte mit japanischen Schriftzeichen, die ich dankend annehme und in meine Hosentasche stecke.
    »Ahhhh« , entfährt es ihm von Neuem, aber dieses Mal klingt es verstört. Ich muss etwas falsch gemacht haben, denn er wirkt aufgeregt. Hurtig holt er eine weitere Visitenkarte hervor und bedeutet mir mit zahlreichen Gesten, dass ich nach dieser nicht mit einer Hand greifen, sondern sie mit beiden entgegennehmen muss und sie auf
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