Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt
Autoren: Dieter Noll
Vom Netzwerk:
sich um, fand das Mädchen am Ufer und setzte sich dort ins Gras. Zu dieser Tageszeit war die Badeanstalt menschenleer. Auf dem Floß im Schatten des Sprungturmes saß nur der alte Bademeister und angelte.
    Sie lag lang ausgestreckt im Gras. Sie trug einen roten, zweiteiligen Badeanzug. Ihr Körper war gleichmäßig braungebrannt, nur an der Brust, wo sich der Badeanzug ein wenig verschoben hatte, wurde ein Streifen weißer Haut sichtbar. Sie hatte die Arme unter dem Kopf verschränkt und hielt die Augen geschlossen. Holt hockte neben ihr. Er betrachtete sie. Der Anblick der schwarzen gekräuselten Haare in den Achselhöhlen, der entspannten schlanken Glieder beunruhigte ihn … Er fand diesen braunen Leib, der sich im Gleichmaß der Atemzüge hob und senkte, seltsam zerbrechlich, er sah lange auf ihr Gesicht, auf ihren Mund, er dachte: Es schaut keiner her … ob sie sich wehrt, wenn ich sie küsse? Mag sie sich wehren … ich bin viel stärker!
    »Wie alt sind Sie?« fragte sie.
    »Siebzehn«, log Holt, und er legte sich neben sie ins Gras. Nun, da er sie nicht mehr sah, fiel ihm das Reden leichter. »Als ich Scharlach hatte«, sagte er, »da hab ich mal von Ihnen geträumt …« Er hörte sie lachen, das machte ihn unsicher. »Ich geh ins Wasser«, sagte er schnell, »kommen Sie mit?«
    »Ich hab keine Badehaube. Ich verderb mir bloß die Haare … Es gibt keine zu kaufen. Ich gäb wer weiß was dafür.«
    Er dachte nach. »Ich besorg Ihnen eine. Darf ich mir dann was wünschen?« Sie stützte sich auf die Ellenbogen und blickte zu ihm hin. Er brachte es fertig, ihr in die Augen zu sehen. »Ich bring Ihnen eine Badekappe, und Sie … zum Lohn … Sie müssen sich von mir küssen lassen …«
    Sie streckte sich wieder aus. Er drängte: »Ja oder nein?« Sie antwortete:»Nachher sagen Sie: Die läßt sich wegen einer lumpigen Bademütze küssen …« Er stand auf. »Da will ich verdammt sein, wenn ich so was auch nur denk! Ohne Badehaube lassen Sie sich doch erst recht nicht …« – »Fort!« rief sie lachend. »Los, geh ins Wasser, du!« Er lief die Böschung hinab, es war eine Flucht vor ihrem Du, vor ihrem unausgesprochenen Ja. Die Planken des Floßes dröhnten, er sprang aus dem Anlauf kopfüber in den Fluß. Als er auftauchte, sah er sie im Gras sitzen, und als er den Arm aus dem Wasser hob, winkte sie.
    Er schwamm zum anderen Ufer, kletterte auf den Damm und schaute noch einmal zurück. Das Mädchen war verschwunden. Er ging über die Wiesen zu einem dichten Weidengebüsch, dem vereinbarten Treffpunkt mit Wolzow.
    Er warf sich auf den weichen Boden und blickte in den wolkenlosen Sommerhimmel.
     
    Er erwachte, als Wolzows greller Pfiff vom Ufer herwehte. Wolzow setzte sich zu Holt. Er hatte in seinem Paddelboot Zigaretten und Streichhölzer mitgebracht. Holt fragte: »Was gibt’s Neues in der Penne?« – »Maaß hat die Lateinarbeit zurückgegeben. Hab eine glatte Fünf. Ich bleib wahrscheinlich sitzen.« – »Wäre dir das gleichgültig?« Wolzow hob die Schultern. »Sitzenbleiben oder nicht, darauf kommt’s doch gar nicht mehr an … Wir rücken bald ein. Später werd ich mal im Ostraum siedeln, in der Ukraine oder so. Als Offizier unter Wehrbauern brauch ich kein Latein.« Stimmt, dachte Holt. Beim Militär fragt kein Mensch mehr nach Zeugnissen … »Was Neues von der Flak?« – »Nein … Aber der Reichsjugendführer hat zum Ernteeinsatz aufgerufen.« – »Das paßt mir gar nicht«, sagte Holt mürrisch. »Die solln uns in Ruh lassen. Wenn wir bloß bald zur Flak kämen! Ich will mich endlich richtig einsetzen. Ich hab eine wahnsinnige Wut auf diese Luftpiraten.«
    Wolzow blinzelte faul in die Sonne. »Der Krieg geht ja erst richtig los«, sagte er. »Ich hab keine Angst mehr, daß wir zu spät kommen. Weißt du schon, daß die Amerikaner auf Sizilien gelandet sind?« Holt war überrascht. »Nein … Ich hab ewig keinenWehrmachtbericht gehört.« – »Jedenfalls ist das ein Fortschritt«, behauptete Wolzow. »Wie willst du den Gegner schlagen, wenn er sich nicht zum Kampf stellt? Wenn ich Feldherr wär, ich würde Entscheidungsschlachten suchen, wenn es die Lage nur einigermaßen erlaubt. Weißt du, wer mein Ideal ist? Ich hab neulich von Marius gelesen. Mensch, das war ein Kerl!« Er richtete sich auf. »Wir können uns, glaub ich, ab August freiwillig melden. Kommst du mit zu den schnellen Truppen? Panzer sind die tollste Waffe.« – »Ich komm mit«, sagte Holt. »Panzer ist gut. Ich stell
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher