Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt
Autoren: Dieter Noll
Vom Netzwerk:
mir das herrlich vor, wenn man ins Feuer reinbraust, und ringsum trommeln die Granaten, und dann das Duell Panzer gegen Panzer … Du hast recht! Es gibt kein Abenteuer, nur den Krieg. Früher gab’s Seeräuber, Banditen wie Karl Moor, die für Gerechtigkeit ihr Leben gaben.«
    Eine Stunde lang lagen sie in der Sonne. »Das schönste ist natürlich Truppenführung«, begann Wolzow von neuem. »Da stehst du am Kartentisch, die Mütze auf dem Kopf, und klopfst ganz lässig mit dem Rotstift auf die Karte. Hier … ein Stoß wird so angesetzt, und einer so … Dann gibst du Befehle. Dein Wort entscheidet die Schlacht.«
     
    In der Badeanstalt herrschte Hochbetrieb. Die Marie Krüger, von ein paar Männern umgeben, saß auf der Wiese; Holt sah es von weitem mit einem brennenden Gefühl der Eifersucht. Sie banden das Boot fest und kletterten auf das Floß, von jüngeren Schülern respektvoll gegrüßt. Beim Sprungturm hatte sich ein Kreis von Jungen und Mädchen versammelt. Holt hörte die helle, freche Stimme Zemtzkis. Rutscher stotterte ihnen ein »A-a-ave Cäsar!« entgegen. Sie waren alle beisammen, Wiese, Vetter, Gomulka, auch Nadler mit ein paar seiner Untergebenen, Schenke, Hampel, Kieback und wie sie alle hießen … Dazu ein paar Mädchen: Rutschers Schwester Ilse, die schlanke Doris Wilke, »Putzi« genannt, und Friedel Küchler, die strohblonde Mädelgruppenführerin, Tochter des Landrats. Sie rief »Heil Hitler!«. Holt setzte sich auf die Planken und beobachtete die Mädchen. Doris Wilke errötete bei Wolzows Anblick, sie war in den großen, finsteren Burschen verliebt,aber Wolzow merkte es nicht oder wollte es nicht merken. Es ging in Gegenwart der Mädchen recht förmlich zu. Nur Wolzow benahm sich nicht anders als sonst. »Ihr Mädel werdet immer zackiger, zum Piepen ist das«, sagte er zu Friedel Küchler, während er sich niedersetzte. »Ich seh euch noch als richtige Mannweiber.« – »Solche Flintenweiber«, sagte Vetter, »haste die neulich in der Wochenschau gesehn?« Friedel Küchler wies Wolzow zurecht: »Das ist ganz falsch!« Sie konnte wohltönend reden, sie hatte sogar schon einmal bei einer Morgenfeier der Hitlerjugend im Rundfunk gesprochen. »Sieh dir mal ›Glaube und Schönheit‹ an, ihr gemessenes Schreiten hinter den Wimpeln, oder den heroisch ernsten Aufmarsch zu Spiel und Tanz … Niemand wird aus dem lebensfrohen Getümmel eine Vermännlichung fürchten … Unsere Mädel werden biologisch bessere und sittlich keine schlechteren Mütter sein als die Mütter früherer Generationen.« – »Alles Quatsch«, sagte Wolzow ungerührt. »Du redest doch immer von den Germanen! Bei den Germanen hatten die Weiber das Maul zu halten und Kinder zu kriegen!«
    Holt fühlte sich nicht recht wohl in diesem Kreis. Er fand diese gleichaltrigen Mädchen, Schülerinnen der Mädchenoberschule, albern, so hübsch sie anzusehen waren in ihren knappen Badeanzügen. Jemand sprach ihn an: »Wir hörten gerade deinen berühmten Schachtelsatz.« Peter Wiese hatte den Satz rekonstruiert und aufgeschrieben. »Der Maaß«, sagte Gomulka, »verwindet das nie! Er hat keine Freude mehr an Schachtelsätzen!« – »Dafür ist er noch gemeiner geworden«, schimpfte Vetter, der dick und rosig auf den Brettern saß. »Zu mir hat er gestern gesagt: ›Woher stammt eigentlich Ihre Blödheit? Vom Vater nicht, den kenne ich, wahrscheinlich haben Sie eine saudumme Mutter!‹ Muß ich mir so was gefallen lassen?« – »Ei, seht doch mal, wer da kommt!« piepste Zemtzki.
    Alle wandten die Köpfe. Über das Floß ging Marie Krüger, mit wildem Haar, am Sprungturm vorbei. Zemtzki sagte, so daß sie es hören mußte: »Die ist eine stadtbekannte …« – »Halt den Mund!« rief Holt. Zemtzki verstummte.
    Das Mädchen war an der Treppe stehengeblieben und sah zuihm hin, dann ging sie rasch davon. Friedel Küchler sagte spitz: »Die nimmst du in Schutz? Bist du etwa in die verliebt?« Holt war turmhoch überlegen. Er stand auf. »Komm, Gilbert … Mir gefällt’s nicht mehr. Die dumme Pute will stänkern.«
    Sie gingen über die Treppe ans Ufer.
     
    Die Wolzowsche Villa lag über den alten, baufälligen Fachwerkhäusern auf einem Hügel. Ein großer, verwilderter Garten umgab das Haus; von der Mauer blickte man auf die roten Schindeldächer und in die engen Gassen der Altstadt hinab.
    Das Haus war verwahrlost. In der dunklen Halle hingen ein paar verstaubte Ahnenbilder an den Wänden. In dem offenen Kamin häufte sich Unrat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher