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Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Titel: Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Autoren: Willi Mathies
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bedeutete, dass sich Skilehrer und Gäste am Nachmittag gesittet bei Livemusik in den Hotels amüsierten, immer der »Anstandslehre« gehorchend. Schließlich trugen damals die Skilehrer auch auf der Piste eine Krawatte.
    Die Gigolos waren auch Gentlemen. Mein Vater geleitete seine Skilehrlinge, wie er sie nannte, immer wieder sicher ins Tal, manchmal auf etwas unkonventionelle Weise: »Wir sind, so lange es ging, schräg die Hänge entlanggefahren. Wenn dann doch eine Kurve fällig war, habe ich die Herrschaften umgeworfen, kopfüber umgedreht, und das immer wieder, bis wir im Tal waren.« Einen Stemmbogen fahren konnten damals nämlich nur die wenigsten, da musste sich ein Skilehrer zu helfen wissen. Wenn es nötig war, trug Robert seine verletzten Gäste sogar ins Tal, eine Geste, die ich später selbst in mein Repertoire aufnahm.
    Auch mein Vater machte früh Bekanntschaft mit den Gefahren: Im Jahre 1934 war er mit einer Gruppe Franzosen in den Bergen unterwegs, darunter der bekannte monegassische Autorennfahrer Louis Chiron. Es hatte viel Schnee gegeben, und der damals 26-jährige Robert spürte, dass die Lawinengefahr von Minute zu Minute anstieg. Er wollte umkehren, aber die Gäste wollten den wunderschönen Hang auskosten, und so ließ er sich überreden. (Eine Schwäche, die ich nicht übernommen habe!) Pflichtbewusst und verantwortungsvoll, wie er war, fuhr mein Vater der Gruppe voraus. Es kam, wie er es vorausgesehen hatte: Das Schneebrett im Hang brach, die Massen stürzten talwärts, doch er konnte sich mit viel Glück und Geschick an der Lawinenoberfläche halten. Auch seine Gäste kamen mit einem Schrecken davon. Für ihn war das eine Warnung: »Wenn man den Respekt vor den Bergen verliert, wird es gefährlich.«
    Umso mehr genoss er die schönen Seiten seines Berufes, und dazu gehörten natürlich in erster Linie die weiblichen Gäste. Auch er war nie um einen deftigen Spruch verlegen: »Zum Skifahren brauche ich keine Stöcke, die bruchi nu zum die lästigen Weiber abwehra!« Noch mit 80 Jahren, er war bereits zwölffacher Groß- und zweifacher Urgroßvater, brachte er den Damen das Wedeln bei. Charmant und braungebrannt fuhr er mit ihnen geduldig über die Pisten, denn schon damals wusste er, dass der Skilehrer auch Unterhalter und Animateur sein musste und das Flirten einfach dazugehörte. Und auch ich wurde diesem Ruf später nur allzu gerne gerecht. Trotzdem war mein Vater froh, als sich die Zeiten änderten und der Beruf des Skilehrers mehr Anerkennung fand. »Jetzt simma keine Deppen mehr«, war sein Kommentar.
    Dem unwiderstehlichen mathiesschen Charme war auch meine Mutter erlegen, als sie den Schwerenöter Robert Anfang der 1930er Jahre kennenlernte. Maria, Zimmermädchen auf der Ulmer Hütte, entstammte einer Bauernfamilie aus Pettneu am Arlberg und musste als eines von 14 Kindern sehr früh ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die Alpenvereinshütte, in der Maria arbeitete, war schon damals für Skifahrer gut zu erreichen, sie lag direkt an der Piste, und mein Vater ging oft »zur Stubate«, um ein paar Stunden mit ihr zu verbringen. Robert hatte selbst Mitte der 1920er Jahre, bevor er Skilehrer wurde, dort oben als Bergführer und »Mädchen für alles« gearbeitet.
    1932 erwarb mein Vater dann den Gasthof »Hirschen« in Danöfen, und ein Jahr später am 29. Mai wurde geheiratet. Dort wurden meine Geschwister Rudi, Anton und Inge geboren, ehe meine Familie 1938 wieder in Vaters Geburtsort Stuben übersiedelte und das elterliche Haus übernahm, wo meine Schwester Olga und ich das Licht der Welt erblickten – wir sind also echte Stubner.
    Doch der Krieg machte leider auch vor dem friedlichen Arlberg nicht Halt. 1938 erteilte man Robert, wie so vielen seiner Kollegen, Berufsverbot. Das Image des Skilehrers war ein windiges, sie galten als unzuverlässig und unseriös. Um seine kleine Familie zu ernähren, zog mein Vater daher für ein paar Wochen im Jahr ins schweizerische Davos, um dort den Gästen den Parallelschwung beizubringen.
    Nach den Kriegsjahren lebten wir in sehr ärmlichen Verhältnissen. In der Früh wurde eine große Gusspfanne mit Riebel, einem einfachen Maisgericht, auf den Tisch gestellt, die ganze Familie nahm rundherum Platz, und jeder langte mit seinem Löffel zu. Butter und Käse machten wir selbst, und ab und zu schlachteten wir ein Tier, wirklich Hunger leiden mussten wir gottlob nicht. Und auch Mutters kleiner Kartoffelacker sorgte für Abwechslung auf dem
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