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Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Titel: Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Autoren: Willi Mathies
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überwinden, indem ich tat, was ich wollte. Ohne die Konsequenzen zu überdenken. Frei wollte ich sein. Gleichzeitig gaben der überschaubare Ort und die hohen Berge mir Schutz.
    Doch auch als Erwachsener hörte ich damit nicht auf – schließlich mangelte es mir weder an Gelegenheiten noch an blühender Fantasie. Ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, mein Sündenregister ist lang, denn das harmlose ehemalige Säumerdorf Stuben verwandelte sich während meiner wildesten Jahre bei Nacht (und manchmal auch am Tag) in ein kleines Sündenpfuhl. Ich war ein hervorragender und erfolgreicher Skiläufer, hatte die schönsten Frauen und die schnellsten Autos – und damit macht man sich nicht nur Freunde.
    Über Papst Johann XXIII . (als höchst umstrittener »Gegenpapst« von 1410–1415 in Amt und Würden) wurde einmal gesagt:
    »Von den Gegnern als moralisches Scheusal gebrandmarkt wurde er von anderen mit Lob überhäuft. Sosehr auch die Anschuldigungen ( … ) übertrieben sein mögen, so bleiben doch die Flecken der Habsucht, Grausamkeit, Wollust und Gewalttätigkeit an ihm haften, Laster, die zum Teil in jener verderbten Zeit nicht besonders hoch angeschlagen wurden (…)«
    Auch wenn ich sicher nicht viel mit einem Papst gemeinsam habe, könnte dies so oder so ähnlich auch über mich gesagt worden sein. Denn eins kann ich euch versichern: Im Skizirkus wird man nicht zur Legende, wenn man ein Heiliger ist.

Vorväter, Vorbilder, Vorurteile
    Nun, da wir gerade so gemütlich beisammensitzen und uns ein wenig kennengelernt haben, möchte ich euch meine Verwandtschaft vorstellen – und die kann man sich ja bekanntermaßen nicht aussuchen! Ich aber habe Glück gehabt, wahrscheinlich hätte ich genau diese Burschen ausgewählt. Denn bevor ich in Stuben mein Unwesen trieb, haben schon meine Vorväter, zähe Burschen, Draufgänger, Überlebenskünstler – und Weiberhelden –, hier ihre Spuren hinterlassen. Vorbilder, von denen ich lernte, und Fußstapfen, in die ich trat …
    Wer nach Stuben am Arlberg kommt, trifft früher oder später auf den Namen Mathies. Geschichten, Anekdoten und Legenden ranken sich um die Männer meiner Familie. Ja, es waren immer die Männer, die von sich reden machten. Die Frauen lenkten die Geschicke im Hintergrund, kümmerten sich um das Wohl der Familie und hielten »den Laden zusammen«. Denn die Herren der Schöpfung stürzten sich gerne kopfüber in waghalsige Unternehmungen und riskante Abenteuer. Sie waren einfache Fuhrleute, die sich täglich bei Wind und Wetter die lebensgefährlichen Pässe rauf- und runterplagten, um so ihren kargen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie waren die ersten Bergführer, ausgerüstet mit einfachen Schuhen und leichter Wollkleidung, die ihre unerfahrenen Gäste auf die begehrten Gipfel und sich selbst damit auch immer an den Rand des Abgrunds brachten. Sie waren Hüttenwarte, die monatelang in einfachsten Unterkünften hausten, Gegend und Gefahren kannten wie ihre Westentasche und trotzdem nicht vor ihnen gefeit waren. Aber sie liebten dieses Leben und die damit verbundenen Risiken.
    Mir wurden also viele Charaktereigenschaften schon in die Wiege gelegt, einige habe ich allerdings erfolgreich selber entwickelt. Und so gibt es heute zahlreiche Anekdoten über die Männer der Familie Mathies, und die erste haben wir meinem Großonkel zu verdanken, der damit sogar zur Legende wurde.
    Sterben kommt nicht in Frage
    Vor mehr als 125 Jahren wurde Franz-Josef, der Onkel meines Vaters, weit über die Grenzen des Arlbergs hinaus bekannt. 1864 in diese bitterarme Gegend am Fuße des Arlbergs geboren kannten Franz-Josef und seine 15 Geschwister vor allem Kälte, Krankheiten und Hunger. Doch Aufgeben kam nicht in Frage. Der ehrgeizige Bursche hatte sich mit seinem Pferdefuhrwerk einige Frachtaufträge gesichert. Und im Alter von ungefähr 20 Jahren begann er lebensnotwendige Güter vom heimischen Warth über den alten Flexenpass nach Langen zu transportieren. Das war besonders in den Wintermonaten ein lebensgefährliches Unterfangen, denn an der steilsten und engsten Stelle des Tales gingen mörderische Lawinen ab.
    Ausgerechnet in einem vergleichsweise schneearmen Jahr ereignete sich die Katastrophe, die meinen Großonkel zur Legende werden ließ. Am frühen Morgen des 21. Dezember verließ Franz-Josef, 22 Jahre jung, mit seinem treuen Hund eine Herberge in Stuben, in der er übernachtet hatte, denn er musste schleunigst über den Flexenpass zurück nach Warth. Dicke
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