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Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)

Titel: Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Autoren: Willi Mathies
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Poststation. Wenn die Postillione mit ihren Kutschen beim »Posteck« ankamen, ließen sie die Peitsche so oft knallen, wie Gäste in ihrem Postwagen saßen. So wusste man im Einkehrgasthof »Post«, wie viele Mahlzeiten vorzubereiten waren. Romantische Zeiten …
    Mit dem Bau der Arlbergstraße 1785 kamen die Kaufleute mit ihren Fuhrwerken von weit her, nahmen den Weg über Danöfen, Klösterle und Langen und nutzten unseren Ort auf ihrer Durchreise als Raststätte, denn Stuben war nicht nur »Handelsbrücke«, es vermittelte auch Geborgenheit und Schutz, ein heimeliges Gefühl – und das bis heute.
    Als man dann den Arlbergtunnel baute, wurde es etwas ruhiger in Stuben, denn die Bahn von Langen nach St. Anton ermöglichte einen billigeren und schnelleren Warentransport. Handel und Verkehr gingen stetig zurück und versiegten irgendwann fast ganz. Unser kleines Örtchen drohte vollkommen in Vergessenheit zu geraten. Es hatte seine Bestimmung verloren.
    Doch auch wenn Stuben klein sein mag, es ist nicht kleinzukriegen. Die Bewohner haben es seit jeher geschafft, sich immer wieder neu zu erfinden und somit sich selbst und ihre Heimat am Leben zu erhalten, was aufgrund vieler lauernder Naturgewalten nicht immer einfach war. Denn die Lage des Dorfes hat so ihre Tücken: Wir haben besonders häufig mit heftigen Schneefällen und starkem Regen zu kämpfen. Dadurch bringen uns im Sommer Erdrutsche und ein schnell talwärts fließender Strom aus Schlamm und gröberem Gesteinsmaterial (Muren) in arge Nöte. Und im gut fünf Monate langen Winter gefährden Lawinen Verkehrswege und Ortschaften, weil die steilen Hänge über Wochen und Monate Schneemassen ansammeln, die unser kleines Tal bedrohen.
    Stuben hatte schon mit allen Arten von Lawinen zu kämpfen: Mal geht der Schnee im Ganzen, also wie ein Brett, ab (Schneebrettlawine), mal fängt die Lawine an einem Punkt langsam an und nimmt im Laufe an Fahrt und Schneemasse zu (Lockerschneelawine). Staublawinen sind besonders gefährlich, weil sie rasante 300 Stundenkilometer erreichen können und das Schnee-Luft-Gemisch in der Lunge oftmals zum Erstickungstod führt. Und dann sind da noch die Hanglawinen, die zwar Stuben nicht erreichen, weil sie vorher zum Stillstand kommen, Skifahrern aber natürlich ebenfalls zum Verhängnis werden können.
    Eines der schlimmsten Lawinenunglücke ereignete sich in Stuben 1807, als an den nordöstlichen Hängen mehrere gleichzeitig losgingen. Häuser und Ställe wurden zerstört; Kühe, Rinder und Pferde getötet; 16 Menschen verloren ihr Leben. Inzwischen machen Entwicklung und Forschung es zwar möglich, Lawinengefahren früher zu erkennen und mit gezielten Sprengungen kontrollierte Abgänge zu erreichen. (Was leider auch nicht immer gelingt, von einer »kontrollierten Katastrophe« werde ich in diesem Buch berichten.) Auch Lawinenverbauungen dämmen die Gefahr etwas ein, sogar eine mächtige Lawinenmauer schützt uns vor den schlimmen Naturereignissen, gänzlich verhindern kann man sie jedoch nicht.
    In meiner Heimat treffen aber nicht nur verschiedene Naturgewalten aufeinander. Am Flexen- und Arlbergpass verläuft auch noch die europäische Wasserscheide der Alpen, der Grenzverlauf der Flusssysteme von Rhein und Donau, und die inneralpine Klimascheide, an der kalte Polarluft von Norden auf warme, mediterrane Luft von Süden trifft.
    Trotz der außergewöhnlichen Lage ist dieses Tal mit seinen wenigen Häusern und Menschen aber so versteckt, dass man es fast übersehen könnte. Wie war es also möglich, dass ausgerechnet aus diesem armen Säumerdorf plötzlich ein Ski-Eldorado werden konnte und man Stuben heute die Wiege der Skifahrt nennt?
    Die Stubner waren schon immer tüchtige Skifahrer gewesen, weil es für die Menschen, die in dieser Region lebten, einfach lebensnotwendig war. Keiner hier hatte jedoch das Bedürfnis Durchreisenden und Gästen das Skifahren beizubringen – nur so zum Vergnügen. Doch das Schicksal Stubens wurde am 24. Juni 1890 besiegelt, als der Skipionier und Gründer der ersten Skischule am Arlberg, Hannes Schneider, in einer der 13 Stuben geboren wurde: Der kleine Hannes hatte eine große Leidenschaft, die er unbedingt mit anderen teilen wollte. Doch erst einmal musste er gegen Vorurteile, Spott und Häme ankämpfen (ein Schicksal, das Skilehrer nur zu gut kennen), denn als er im Alter von zehn Jahren Fassdauben (Längshölzer aus denen der Küfer Holzfässer für Wein oder Bier herstellt) unter seinen Schuhen
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