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~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)

Titel: ~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
Autoren: Dennis Welz
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die Augen zufallen. Erst danach, so scheint es mir, gehe ich schlafwandlerisch zu Bett.

28.08.08 24km nach Navarette - Ein herzlicher Abschied am Morgen, nervende Mitpliger am Abend
    Ein Kuss rechts ein Kuss links, ein Wortschwall auf Spanisch, die Umarmung ist fest. Sie ist ehrlich. Meine kläglichen Versuche spanisch zu sprechen begeistern die Herbergsmutter so sehr, dass ich nun zur Familie gehöre. Sie schenkt mir eine Nähnadel, mit der ich meinen entzündeten Finger anstechen kann. Die anderen Pilger drängen an uns vorbei, schauen etwas irritiert. Ich lächle. Ich werde so bald nicht wiederkommen. Und bereue es von Herzen. Nur wehmütig kann ich aufbrechen. Ich muss unbedingt noch einmal hier übernachten , denke ich mir, vergesse dabei ganz dass ich dafür all die Strapazen noch einmal durchleben müsste.
     
    In Logrono treffe ich wieder auf den Doktor. Viel Grund zur Schelte gebe ich ihm, als ich heute wieder keine Pause mache. Munter marschiere ich weiter, trotz Schmerzen, trotz gutem Rat.
    Allerdings werde ich dann doch kurz aufgehalten, anders als erwartet. Eine sehr alte Spanierin, mit charakteristischen Falten, einer leisen Stimme und einer tiefen Ausstrahlung spricht mich an. Viel verstehe ich nicht, ich tue mein bestes, nutze Hände und Füße, dann ist klar was sie möchte: Eine Umarmung. Nein nicht von mir … oder doch schon, aber für den Jakobus. In Santiago, dem Ziel aller Pilger auf diesem Wege, steht eine Statue des Schutzheiligen Jakob, Tradition ist es diese zu umarmen, ist man sicher angekommen. Ein Zeichen des Dankes und gleichzeitig eine heilige Handlung, die den Legenden nach Segen über den Menschen bringen zu vermag. So trage ich nun eine zweite Umarmung für den Jakobus auf meinen Schultern, nicht nur meine eigene sondern auch die ihre. Ich kenne nicht einmal ihren Namen. Sie kann wohl nicht mehr nach Santiago gehen in ihrem Leben. Ich gehe für eine völlig Fremde ein Stück des Weges mit.
     
    Gegen Mittag bin ich voller Freude unterwegs, man kann sagen mit Schwung. Ich freu mich unterwegs zu sein. Gleichzeitig möchte ich aber auch bald ankommen.
    Moment, warum ist es hier so still? Ich sehe keine anderen Pilger mehr. Und keine Wegweiser. Der Pfad ist verlassen, führt zu einem kleinen Dorf. Niemand in Sicht. Bin ich falsch abgebogen?! Ich rufe einer weit entfernten Einheimischen, die in ihrem Garten arbeitet zu. Sie ist verwirrt. Dann weist sie mir den Weg Richtung Navarette. Glück im Unglück. Es war nur ein kleiner Umweg, den ich gegangen bin, ein Fehler der wohl vielen Pilgern passiert, die nicht genau auf die Wegzeichen achten.
     
    In Navarette sitzen wir draußen an der Bar. Der Doktor, seine Tochter, ein Freund der Familie und noch einige andere wie Hans und Hans, ein deutsches Wanderduo. Mein Knie ist der Witz des Tages. Für mich jedoch eine ernsthafte Sache.
    „Du solltest doch die Zahnbürste absägen“ lacht der eine Hans. Der andere schlägt sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
    „Oder schick etwas nach Hause, dass du nicht mehr brauchst“ schlägt der Doktor wiederholt vor. Alle amüsieren sich prächtig, ich ärgere mich. Nach einer Weile fühle ich mich unwohl und angegriffen. Daheim habe ich stundenlang geplant was ich mitnehme, was nicht. Als das Knie schlechter wurde hingen viele meiner Gedanken nur daran, wie ich Gewicht reduzieren könnte. Alles was ich noch bei mir habe ist mir wichtig. Alles sind Dinge die ich brauche, für die ich mich entschieden habe.
    Es passt nicht zum Weg so unfreundliche Gedanken gegenüber anderen zu haben. Aber sie übertreiben es! Nein, tun sie nicht. Bald kehrt wieder Ruhe ein in mir. Der Ärger kommt wohl auch aus Verzweiflung. Ich verstehe die Botschaft des Doktors. Auf dem Jakobsweg soll man etwas loslassen das schwer wiegt. Ich frage mich was … meinen Schlafsack brauche ich noch.
    Andere haben ein viel Schlimmeres Los. Ich treffe Sophie in der Herberge. Sophies gesamter Rucksack ging beim Transport im Flugzeug verloren. Jetzt läuft sie mit geliehenen und geschenkten Sachen. Auch sie kommt voran. Auch sie ist trotzdem glücklich.

29.08.08 17km nach Najera – Der Glöckner von Notre-Dame. Verloren ohne Handtuch.
    Mitten auf dem Weg schallt mir ein neuer Gruß entgegen.
    „Santiago es cerca!“ . Santiago ist nah. Nah ist wirklich ein sehr dehnbarer Begriff. Es ist noch ein sehr weiter Weg, viele hunderte Schritte, tausende, unzählbar viele.
    „Animo“ . ‚Auf geht’s!“. Oder so ähnlich. Ich kann es nicht
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