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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
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Doch nicht Kapitän Fokke, die alte Seegurke?“
    „Nun, er ließ sich auf einen Pakt mit einem schlimmen Dämon ein, das kann man ihm gewiss vorhalten. Aber der Dämon hat ihn getäuscht, und nun missbraucht er ihn schon seit Jahrhunderten für seine üblen Zwecke. Fokke ist dazu verdammt, mit seiner Mannschaft ruhelos über die Weltmeere zu segeln und dabei auch noch für diesen Teufel zu morden. Scheußlich, nicht?“
    „Eine unerfreuliche Sache, sicher. Aber was geht uns das an? Er hätte sich eben vorher überlegen müssen, mit wem er paktiert.“
    „Gewiss, aber“, der Mann erhob sich erhitzt, „wir dürfen nicht vergessen, dass er ein lebender Mensch war, als er den Pakt schloss. Als Geist, als einer von uns, trägt er nun ein Joch, das er – als Geist – nicht verdient hat.“
    Sein Gegenüber lachte. „Dieser Gedankengang hat einen Preis verdient. Einen Satire-Preis!“
    „Ich meine ihn vollkommen ernst.“
    „Was wollen Sie denn für Fokke tun? Eine Tombola zum Erwerb einer Kiste Rum veranstalten?“
    „Ich sehe, Sie versuchen wieder einmal, alles ins Lächerliche zu ziehen. Nein, wir müssten ihm schon helfen, diesen geisterverachtenden Fluch zu brechen. Alles andere wäre keine echte Wohltat.“
    „Gut, gehen Sie, brechen Sie den Fluch, der ihn seit zweihundert Jahren auf den Ozeanen hält. Kein Problem, nehme ich an. Meinen Segen haben Sie. Und jetzt lassen Sie mich in Frieden. Ich habe keine Zeit zu verschwenden. Die Ewigkeit – sie verfliegt wie Blätter im Wind.“
    Der andere setzte sich eingeschnappt.
    Nach einer langen Stille schaltete sich Sir Darren ein. „Eine interessante Idee, würde ich meinen“, flüsterte er dem noch immer schmollenden Clubfreund zu. „Bernard Fokke hat dem Dämon seine Seele bis zum Tag des Gerichts versprochen. Hat der Vertrag vielleicht eine Hintertür?“ Befriedigt registrierte er, wie der Mann, der sich durch Spott hervorgetan hatte, sich aus seinem Sessel weit zu ihnen hinüberbeugte, um ihr Gespräch zu belauschen.
    „Bis zum Tag des Gerichts“, wiederholte der Angesprochene. „Das klingt ausgesprochen endgültig, aber … hm … es wird ja nicht explizit gesagt, bis zu welchem Gericht, oder?“
    Sir Darren hob die Augenbrauen. „Da haben Sie zweifelsohne recht. Sprechen Sie weiter!“
    Der Körper des Mannes spannte sich, und er rieb aufgeregt die Finger aneinander. „Angenommen, es würde zu einem Gericht kommen, aber nicht im christlichen Sinne. Ein großer Judgment Day , der das Ende des Paktes markiert.“
    „An welche Art von Gericht denken Sie?“
    „Well, es müsste die Geister betreffen – zum Beispiel ein Gericht der Geisterwelt über Kapitän Fokke.“
    „Nein, das … das ist nicht stichhaltig. Wozu sollte man über ihn richten?“ Plötzlich bekamen Sir Darrens Augen einen glasigen Ausdruck, sie starrten ins Leere, sein Kinn klappte herunter, und erst Minuten später erwachte er wieder aus seiner Trance. „Das ist unmöglich“, murmelte er zu sich. „Das kann nicht die Lösung sein.“
    „Was haben Sie?“
    Der Dozent massierte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Nacken. „Nein … ich … ich habe mich nur gefragt, ob es theoretisch denkbar wäre, dass die Geisterwelt über einen Menschen Gericht hält. Über einen Menschen, der … zum Feind des Jenseits wurde, dem jedoch eine Chance gegeben wird, sich zu … zu rehabilitieren.“
    „Das klingt kompliziert“, meinte der andere. Dann hob er den Kopf. „Aber auch vielversprechend.“
    „Dieser Mensch würde auf Kapitän Fokkes Schiff, der Libera Nos, mitfahren, nicht als Mensch, sondern als Gespenst.“
    „Als Gespenst, Sir?“
    „Die Tatsache, dass der Pakt durch ihn beendet wird, wäre gleichzeitig das Hauptargument für seinen Freispruch. Indem er den Kapitän und die Crew von dem Fluch und aus den Klauen des Dämons befreit, hätte er seine Sünden gesühnt. Das Gericht des Jenseits würde seinen Fall neu aufrollen und seine Buße für ausreichend befinden. Das wiederum würde ihm erst die Macht geben, den Fluch des Fliegenden Holländers aufzuheben. Ja, verstehen Sie – Ursache und Folge des Urteils müssten identisch miteinander sein.“
    „Ursache und Wirkung identisch? Ich weiß nicht recht, wie wir so etwas bewerkstelligen sollen. Geht das nicht gegen die Gesetze der Natur?“
    Sir Darren blickte ihn mit hypnotisierender Eindringlichkeit an. „Wir müssen es nicht in einem Nachmittag schaffen. Wir haben viel Zeit. Gehen wir es in Ruhe an. Stellen wir
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