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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
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mit in seinen Trouble hineinzuziehen, würde er Nägel mit Köpfen machen und in seine echte Heimat zurückkehren.
    Der Gedanke an die vertraute Umgebung Londons flößte ihm Mut ein. Aromareiche, erlesene Tees aus den fernen Zipfeln des Commonwealth, unterschätzte kulinarische Köstlichkeiten wie Porridge, Lammbraten in Minzesoße und Puddings, die nichts mit dem süßen Glibber zu tun hatten, den man auf dem Kontinent als Pudding zu bezeichnen die Frechheit hatte – all das war Labsal für Körper und Geist. Wenn dazu noch kultivierte Gespräche zwischen Angehörigen derselben sozialen Klasse kamen, stellte sich rasch ein beruhigendes Gefühl ein. Das Gefühl, für das respektiert zu werden, was man war (und nicht etwa für das, was man tat ). Das und nichts anderes verstand er unter wahrer Geborgenheit. Die Deutschen mit ihrem hässlichen Leistungsdenken waren lästig, weil sie meinten, an jedes Geschöpf auf dieser Erde denselben Maßstab anlegen zu müssen …
    Vor allem aber dachte er an die zahlreichen Bibliotheken und Antiquariate. Wahre Schätze an okkulter Literatur warteten dort auf den, er wusste, wo er zu suchen hatte. Geheime Lesesäle in großen, öffentlichen Bibliotheken, durch geschickte Mechanismen verborgene Bücherregale, Kollektionen privater Sammler, voller seltsamer Bücher, die auf keiner offiziellen Liste auftauchten – all diese Dinge, die klangen, als entstammten sie den Fieberträumen eines exzentrischen Büchernarren, waren Realität in der Stadt an der Themse.
    Daneben hatte London eine Vielzahl fähiger Forscher des Okkulten hervorgebracht, scharfsinnige Theoretiker ebenso wie mächtige Spiritisten und Magier. Die Spiritualist Association of Great Britain , die ihren Sitz am Belgrave Square hatte und seit dem 19. Jahrhundert bestand, war die wohl größte und wichtigste Organisation ihrer Art weltweit.
    Vielleicht würde er die Hilfe einer dieser Personen brauchen. Ehe er sie jedoch konsultierte, würde er es auf eigene Faust versuchen.
    Auf dem Münchner Franz Josef Strauß Flughafen hatte er um die frühste Verbindung nach London gebeten. Er hätte es vorgezogen, direkt zu fliegen, doch auf freie Sitzplätze in einem Direktflug hätte er einen Tag warten müssen. Die KLM-Maschine konnte er sofort besteigen, auch im Anschlussflieger waren noch Plätze frei, und da der Aufenthalt in Amsterdam gerade einmal neunzig Minuten betrug, würde er in etwas mehr als vier Stunden bereits in London Heathrow sein.
    Diese Aussicht war zu verlockend, um eine andere Wahl zu treffen.
    Bei der Passkontrolle schlug sein Herz schneller. Doch die Flughafencomputer kannten seinen Namen nicht. Vermutlich war die Suche nach ihm längst abgeblasen worden – falls es jemals eine Polizeiaktion gegeben hatte, die den Namen „Suche“ verdiente. Als er durch die Gangway ging, fühlte er sich befreit und bedrückt zugleich. Sir Darren konnte gehen, wohin er wollte. Er war frei.
    Zumindest so frei wie ein Vogel, dessen Käfig eine Katze geöffnet hatte.
    Nun, da er angeschnallt in einem Sitz am Fenster saß und der Pilot die Maschine beschleunigte, versuchte sich Sir Darren zu erinnern, wann er dieses Formular unterschrieben haben mochte. Er konnte nur ratlos den Kopf schütteln. Schließlich flog er zum ersten Mal mit KLM und hatte keine Pläne, die Fluglinie in Zukunft häufiger zu nutzen.
    Exakt in dem Moment, in dem das Fahrwerk der Fokker den Kontakt zum Asphalt der Startbahn verlor, fiel sein Blick auf den Schriftzug auf der ersten Seite des Vertrags. Mit weißen Buchstaben auf blauem Grund stand dort:
    „Flying Dutchman“
    Das war offenbar der Name des Rabatt-Programms. Andere Fluglinien vergaben nüchternere Namen für vergleichbare Angebote. Die Lufthansa nannte ihres vielversprechend „Miles&More“, während man bei British Airways in den „Executive Club“ eintreten konnte, eine exklusiv klingende Gemeinschaft, passend zu den Club-begeisterten Briten.
    „Flying Dutchman“ … der fliegende Holländer.
    Sir Darren war mehr als ein wenig erstaunt über die schalkhafte Bezeichnung. Im Zusammenhang mit Flugreisen auf die alte Geschichte von dem Geisterschiff zurückzugreifen, das brachten nur die sorglos-verschmitzten Holländer zuwege!
    Er spürte, wie ihm ein wenig mulmig wurde.
    Es mochte der Start sein, diese unangenehmen Minuten, während der die Maschine dröhnend und ruckelnd gegen die Gesetze der Schwerkraft ankämpfte und vibrierte, dass einem die Plomben aus den Zähnen zu fallen
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