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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
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drohten. Doch vielleicht war es mehr als nur Physik, was den Magen des Briten auf eine eklige Weise zum Kribbeln brachte.
    Seit er die Geister gereizt hatte, war Sir Darren ein Gejagter des Jenseits.
    Einer spontanen Idee folgend, hatte er auf dem Münchner Flughafen nach einem Flug nach London verlangt und sofort einen bekommen. Alles war sehr schnell gegangen, beinahe, wie von unbekannter Hand vorbereitet. Nebenbei hatte er einen Vertrag unterschrieben, ohne davon etwas mitzubekommen. Einen Vertrag, mit dem er sich zum Mitglied eines Programms namens „Flying Dutchman“ machte.
    Er fragte sich, ob er wohl der erste Passagier war, den, als er den unterschriebenen Vertrag in Händen hielt, ein merkwürdiges Gefühl beschlich.
    So ähnlich musste es sich anfühlen, wenn man seine Seele verkauft hatte.
    An den fliegenden Holländer …

2
    Das Stahlvogel stürzte weder ab, noch verwandelte er sich in ein düsteres Schiff mit flatternden Segeln.
    Stattdessen setzte die Maschine ohne Zwischenfälle in Amsterdam auf, fünf Minuten früher als geplant. Das Wetter war freundlich, und es hatte keine Turbulenzen gegeben. Der Snack, der im Flugzeug gereicht worden war, war durchaus genießbar gewesen, die Landung weich und das Gedränge beim Aussteigen erträglich.
    Schiphol Airport ist für den Besucher nicht viel mehr als eine große, langgestreckte und leicht gebogene Ladenpassage, von der aus kleine Ärmchen abzweigen, die zu den Gates führen. Neben den üblichen Tax Free-Shops mit ihren ewig gleichen glitzernden Auslagen von Parfums, Kosmetika und Schmuck finden sich auch zahlreiche Lebensmittelgeschäfte. Buchhandlungen wechseln sich mit Läden für CDs und DVDs ab, und wer in der Hektik der Reise vergessen hat, dass er sich in den Niederlanden befindet, wird durch die überall angebotenen Tulpen daran erinnert.
    Nachdem sich Sir Darren vergewissert hatte, dass ihm genügend Zeit blieb, suchte er einen ansehnlichen internationalen Buchladen in der Nähe seines Gates auf. Von den Zeitungen im vorderen Teil des Geschäfts nahm er sich einen Daily Telegraph und eine Times und drang, die beiden schwergewichtigen Blätter in der Hand, ins Innere des Ladens vor. Die Zeitungen verwandelten sich in Zeitschriften und diese schließlich in Bücher, je weiter er ging, als vergehe die Zeit im vorderen Teil des Shops schneller als im hinteren. Zwei junge Chinesen standen am Regal mit den Aktzeitschriften (sagte man so?) und blätterten eine nach der anderen durch. Eine ältere Dame mit orange gefärbten Haaren studierte die Kochmagazine ebenso gründlich, und ein seriös wirkender Mann Mitte Vierzig kaufte einen ganzen Packen Spider Man-Comics und bezahlte mit American Express Gold.
    Sir Darren ließ seine Blicke über die Bücherauswahl schweifen. Romane und Reiseführer auf Englisch, Romane und Reiseführer auf Holländisch und schließlich Romane und Reiseführer in drei, vier weiteren europäischen Sprachen. Unter den deutschsprachigen Büchern stach ein dicker Wälzer mit dem Titel „Neue Rätsel – neue Lösungen: Das Bermuda-Dreieck“ hervor. Die Covergrafik präsentierte eine sturmgepeitschte Meeresoberfläche, darüber ein brennendes Flugzeug, eine Militärmaschine. Der Pilot sprang mit einem Fallschirm ab. Was für ein Schicksal würde ihn erwarten, wenn er in die unruhigen Fluten tauchte, weitab von jeder Insel? Der Verlag wusste, wie man Bücher verkaufte.
    Gegen diese Art von Druckerzeugnissen hegte Sir Darren eine ausgeprägte Abneigung. Trotzdem nahm er das 700 Seiten dicke Taschenbuch zur Hand. Er musste sich eingestehen, dass es seine Neugier weckte.
    Er öffnete das Buch an einer beliebigen Stelle ungefähr in der Mitte, klemmte seinen Daumen zwischen die Seiten und konzentrierte sich.
    Noch ehe er einen vollständigen Satz gelesen hatte, stieß jemand von der Seite gegen ihn. Er verlor das Gleichgewicht, das Buch entfiel seinen Fingern, und er griff neben sich, um sich festzuhalten. Der Stoß war nicht sehr stark gewesen, und er glaubte auch, eine gemurmelte Entschuldigung zu hören. Doch dann geschah etwas Dummes. Bei dem Versuch, sich Halt zu verschaffen, hatte er in einen Bücherständer gegriffen, der allzu leicht nachgab. Die Bemühung, das Umkippen des Ständers zu vermeiden, der auf kleinen, flinken Rollen stand, misslang, und der Brite riss sich damit selbst von den Beinen. Er ging zu Boden, der vollgepackte Ständer fiel auf ihn herab, traf ihn mit erstaunlicher Wucht am Kopf.
    So etwas Lächerliches
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