Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Buchhandlung war meiner Meinung nach ausgesprochen stark frequentiert.“ Ja, zum Beispiel von zwei Chinesen, die vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben splitternackte Europäerinnen gesehen hatten und sich wohl fieberhaft überlegten, wie sie möglichst viele dieser Hefte durch den strengen Zoll ihres Heimatlandes schmuggeln konnten.
    „Mir ist nicht bekannt, dass Sie gestoßen wurden. Als man mich rief, lagen Sie bereits auf dem Boden.“ Die Frau wischte sich die Hände an ihrem weißen Kittel ab und schien allmählich gallig zu werden. Wahrscheinlich fragte sie sich, was sie das alles anging.
    „Nächstes Mal achte ich darauf, langsamer zu fallen“, entwischte ihm die Bemerkung. Natürlich wusste er, dass er im Grunde einfach Pech gehabt hatte. Er war nicht niedergeschlagen worden. Eine Verkettung unglücklicher Umstände hatte zu dem Unfall geführt. Trotzdem gehörte es sich doch wohl für die Person, die ihn angerempelt hatte, ein gewisses Maß an Verantwortung zu übernehmen. Falls der Unbekannte es eilig hatte, hätte er zumindest seinen Namen und seine Adresse hinterlegen müssen. Es konnte kein Brite gewesen sein, soviel stand fest …
    Er verließ das Zimmer, und die Frau folgte ihm. Sie führte ihn an einen kleinen Schalter, wo man sich seine Versicherungskarte zeigen ließ und ihm einige Formulare zum Ausfüllen vorlegte. Natürlich. Die Behandlung war nicht umsonst gewesen. Mochte das salzige Gebäck in den winzigen Tütchen, das man an Bord hingeworfen bekam, auch im Ticketpreis inbegriffen sein – ein paar Tropfen Jod, ein kleines Pflaster und mehrmaliges Blutdruckmessen waren es gewiss nicht.
    „Wie viele Meilen bekomme ich für das Pflaster gutgeschrieben?“, fragte er das weizenblonde Mädchen, das ihm mit den Formularen half. Mit ernstem Gesicht tippte er sich an die Schläfe. „Ich bin seit ein paar Stunden ein frischgebackener fliegender Holländer, wissen Sie?“
    Das junge Ding lachte freundlich über seinen Scherz und erklärte ihm, dass er tatsächlich Meilen bekommen würde, wenn er im Flugzeug ein modisches Erste-Hilfe-Täschchen erwarb. Da seien auch Pflaster enthalten. Holländerinnen waren schlagfertig.
    Sir Darren ging in ausgeglichener Laune zur Information, um sich zu erkundigen, wie er nun doch noch nach London kam. Im schlimmsten Fall würde er den neuen Flug eben extra bezahlen müssen – vielleicht gab es auch eine Möglichkeit, das nicht genutzte Ticket darauf anrechnen zu lassen. Im Gegensatz zu den meisten Reisenden, die wie Ameisen durch das Flughafenterminal flossen, hatte er keinen festen Termin, den es einzuhalten galt.
    Am Horizont seiner Laune zogen dunkle Wolken auf, als man ihm erklärte, es seien heute keine Flüge nach London mehr verfügbar. Erst für den folgenden Tag konnte man ihm einen Sitzplatz in einer Maschine anbieten, und auch da erst gegen Abend.
    „Dann bin ich also ein gestrandeter fliegender Holländer“, krächzte er und wand das letzte Quäntchen Humor dafür auf, das noch in ihm war. Man lachte auch darüber, so gut man konnte, und bedauerte die Situation außerordentlich. Gleichzeitig empfahl man ihm einige gute Hotels und erklärte ihm, welche Verkehrsmittel ihn in die Stadt brachten.
    Obwohl es erst kurz nach Mittag war, fühlte Sir Darren sich müde. Er kam sich tatsächlich gestrandet vor. In einem Bistro nahm er einen belegten Toast und einen Fruchtsaft zu sich und beobachtete dabei die vorbeiziehenden Menschen, die alle ein Ziel zu haben schienen, egal, ob sie in Eile waren oder gemächlich an den Läden entlang bummelten. Kaum einer war unter ihnen, der nicht immer und immer wieder auf die Uhr sah. Nur die Kinder, die in dem Süßwarenladen nebenan ihre Eltern um teure Godiva-Schokolade anbettelten, schienen alle Zeit der Welt zu haben und fanden kein Ende beim Aussuchen der kunstvollen Schokoladendosen.
    Der Brite bezahlte und machte sich schließlich auf den Weg aus dem Flughafen hinaus und in Richtung Innenstadt.

3
    Die alten Häuser mit den vielen Fenstern und Erkern, ohne Zwischenraum aneinander gebaut, erinnerten den Briten an seine Heimat. Die Fassaden hatten etwas Verspieltes an sich, wirkten weniger verschlossen als jene im Nachbarstaat Deutschland. In vielen Fällen führten acht oder neun Stufen zur Haustür im Hochparterre, wie man das auch in britischen Städten sehen konnte. Die Straßen der Altstadt waren eng und nicht immer in gutem Zustand, kleine Autos parkten in diagonaler Richtung zwischen den zahlreichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher