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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust
Autoren: V Jackson
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berühren und mich korrigieren.
    »Summer«, sagte er eines Tages leise zu mir, »wenn du damit nicht aufhörst, werde ich dich nicht weiter unterrichten.«
    Danach verspielte ich mich kein einziges Mal mehr.
    Bis zu jenem Abend, wenige Stunden bevor Darren und ich wegen der Vier Jahreszeiten in Streit gerieten.
    Ich war in einer Bar in Camden Town gewesen und hatte in einem Gratiskonzert mit einer unbekannten Band von Möchtegern-Bluesrockern gespielt, als urplötzlich meine Finger wie eingefroren waren und ich einen Ton verfehlte. Niemandem von der Band fiel es auf, und außer den paar eingefleischten Fans, die gekommen waren, um Chris, den Leadsänger und Gitarristen, anzuhimmeln, hörte uns ohnehin keiner zu. Es war ein Mittwochabend, und unter der Woche ist das Publikum noch ignoranter als die Besoffenen am Wochenende. Außer den beinharten Fans saßen die meisten einfach an der Bar, kippten still ihr Bier in sich hinein oder unterhielten sich, ohne überhaupt auf die Musik zu achten. Chris hatte mir gleich gesagt, ich solle nichts darauf geben.
    Seine Instrumente waren Bratsche und Gitarre, allerdings hatte er Ersteres weitgehend aufgegeben, um mit Letzterem beim Publikum besser anzukommen. Aber im Grunde unseres Herzens waren wir beide Streichmusiker, und so verstanden wir uns auf Anhieb.
    »Das ist doch jedem von uns schon mal passiert, Herzchen«, sagte er.
    Mir nicht. Ich schämte mich in Grund und Boden.
    Ich verzichtete darauf, mit der Band hinterher noch durch die Kneipen zu ziehen, und nahm gleich die U-Bahn nach Ealing zu Darrens Wohnung, die Schlüssel hatte ich ja. Allerdings hatte ich mir seine Flugdaten nicht richtig gemerkt und gedacht, er träfe erst morgens mit dem Nachtflieger ein und ginge dann direkt ins Büro, ohne zu Hause vorbeizuschauen, sodass ich in einem bequemen Bett schlafen und ein bisschen Musik hören könnte. Einer der Gründe, warum ich überhaupt noch mit ihm zusammen war, war die tolle Musikanlage in seiner Wohnung. Und außerdem hatte er auch genug Platz, dass man sich einfach auf den Boden legen konnte. Er hatte noch eine richtige Stereoanlage, samt CD -Spieler. Und in meiner Wohnung war es schlicht zu eng, um sich auf dem Boden auszustrecken, ich hätte dazu den Kopf in den Küchenschrank stecken müssen.
    Nach einigen Stunden Vivaldi in Dauerschleife kam ich zu dem Schluss, dass die Beziehung zu Darren zwar ganz nett, aber meiner Kreativität im Weg war. Sechs Monate mittelmäßige Kunst, mittelmäßige Musik, mittelmäßige Barbecues mit mittelmäßigen Paaren und mittelmäßiger Sex reichten, dass ich spürte, wie lästig mir die Kette geworden war, die ich mir freiwillig um den Hals hatte legen lassen.
    Ich musste irgendwie da raus.
    Darren hatte einen leichten Schlaf, aber wenn er aus Los Angeles zurückkam, nahm er stets Nytol, um besser mit dem Jetlag klarzukommen. Ich sah die Schachtel in seinem ansonsten leeren Papierkorb schimmern. Selbst um vier Uhr in der Nacht konnte er keine leere Verpackung bis zum Morgen auf seinem Nachttisch ertragen, sondern musste sie gewissenhaft entsorgen.
    Die Vivaldi- CD lag mit der Silberseite nach unten neben seiner Nachttischlampe. Eine CD nicht in die Hülle zu tun, war für Darren ein extremer Ausdruck von Protest. Auch wenn er ein Schlafmittel genommen hatte, war ich doch überrascht, dass er es fertiggebracht hatte, neben einer CD einzuschlafen, die in höchster Gefahr war, einen Kratzer abzubekommen.
    Nach höchstens ein, zwei Stunden Schlaf schlüpfte ich noch vor Morgengrauen aus dem Bett und hinterließ ihm einen Zettel in der Küche. »Tut mir leid wegen der lauten Musik. Schlaf gut. Ich rufe an etc.«
    Ich nahm die Central Line ins West End, ohne dass ich mir überlegt hatte, wohin ich eigentlich wollte. Meine Wohnung war in einem katastrophalen Zustand, so wie immer; außerdem übte ich dort nicht gern, weil die Wände dünn waren und ich Angst hatte, die Nachbarn könnten irgendwann genervt sein von meinem Geigenspiel, auch wenn ich insgeheim hoffte, dass es für sie angenehme Klänge waren. Meine Arme sehnten sich danach zu spielen, und sei es nur, um die Spannung loszuwerden, die sich in der vergangenen Nacht in mir aufgebaut hatte.
    Ab Shepherd’s Bush war die U-Bahn rappelvoll. Ich hatte mich ganz ans Ende des Wagens gestellt und lehnte an einem der gepolsterten Stehsitze neben der Tür, weil das bequemer war, als mit dem Geigenkasten zwischen den Knien auf einer Bank zu sitzen. Nun war ich zwischen schwitzenden
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