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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust
Autoren: V Jackson
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man zwischen zwei Atemzügen eine Entscheidung trifft, die dem Leben eine völlig neue Richtung gibt.
    »Nein«, antwortete ich.
    »N-nein?«, stotterte Victor ungläubig.
    »Nein!«, sagte ich bestimmt. »Ich bin nicht bereit, mich dir zu unterwerfen!«
    Ich öffnete die Augen und setzte mich auf. Schlagartig wurde ich mir meiner Nacktheit bewusst. Aber immerhin hatte ich durch meine Erlebnisse mit Dominik gelernt, auch im entkleideten Zustand entschlossen aufzutreten.
    Victor war völlig entgeistert, wirkte auf einmal aber auch ganz klein. Wie hatte ich jemals unter die Fuchtel dieses Mannes geraten können? Er zog nur eine billige Show ab, so wie alle anderen.
    Ich schob die Umstehenden beiseite, deren Gesichter zwischen Entsetzen, Verlegenheit und Sorge schwankten. Einer murmelte, das müsse wohl zu Victors Vorführung gehören.
    Rasch holte ich mein Kleid aus dem Barschrank, schlüpfte hinein, schnappte mir meine Handtasche und mein Handy und eilte zur Tür. Sie war nicht verschlossen.
    Victor klemmte seinen Fuß in die Tür, als ich sie hinter mir zuschlagen wollte. »Das wirst du noch bereuen, Sklavin Elena!«
    »Das glaube ich kaum. Mein Name ist Summer. Und ich bin nicht deine Sklavin!«
    »Du wirst nie etwas anderes sein als eine Sklavin, Mädchen. Es liegt in deiner Natur. Eines Tages wirst du dich fügen. Zwecklos, dagegen anzukämpfen. Schau dich doch an – du warst nass, kaum dass du deine Kleider ausgezogen hattest, klitschnass. Sosehr dein Kopf dagegen ankämpft, dein Körper wird dich immer verraten, Sklavin.«
    »Wage es nicht, noch einmal mit mir Kontakt aufzunehmen. Sonst gehe ich zur Polizei.«
    »Und was willst du denen erzählen?«, fragte er höhnisch. »Meinst du, die glauben einer Schlampe wie dir?«
    Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging mit hoch erhobenem Kopf davon. Doch seine Worte klangen in meinen Ohren nach. Ich wollte nur nach Hause. Nach Hause und auf meiner Geige spielen.
    In der Gansevoort Street winkte ich ein Taxi heran. Kaum war ich eingestiegen, hielt ich mir mein Handy vor die Nase, damit der Fahrer bloß nicht auf die Idee kam, mich in ein Gespräch zu verwickeln, oder fragte, was mit mir los sei. Die New Yorker Taxifahrer sind ein ganz eigenes Völkchen, manche stumm wie ein Fisch, andere reden ohne Pause, dass man bald genug von ihnen hat. Ich wählte meine Sprachbox an und sank in den Sitz zurück, als ich Dominiks Stimme hörte.
    Und er sagte etwas so Wunderbares wie noch zuvor: dass ich ihm fehle. Ja, ich vermisste ihn auch, und zwar ganz gewaltig.
    Ich starrte aus dem Fenster auf den quirligen Verkehr, auf die Stadt, die mir bei meiner Ankunft so aufregend vorgekommen war und mir nun so fremd schien, so anders. Irgendwie machte sie mir immer wieder bewusst, dass ich hier nicht zu Hause war und kein Zuhause mehr hatte.
    Die Abenddämmerung setzte ein, als wir am Washington Square Park vorbeikamen. Die Bäume reckten ihre Äste in den Himmel und warfen dunkle Schatten über den Rasen. Noch war es nicht ganz dunkel. Es blieb mir also noch ein bisschen Zeit, Geige zu spielen.
    Ich hatte Dominik versprochen, die Bailly nicht irgendwo in der Öffentlichkeit zu spielen und mit ihr vor allem keine Straßenmusik zu machen, weil das mit einem so wertvollen Instrument viel zu gefährlich war. Aber er hatte sicher Verständnis, wenn ich mal eine Ausnahme machte.
    Das Taxi setzte mich vor meiner Tür ab, und ich gab dem Fahrer ein dickes Trinkgeld dafür, dass er während der ganzen Fahrt den Mund gehalten hatte.
    Ich rannte die Treppe hinauf und warf gleich hinter der Tür das schwarze Kleid auf den Boden. Am besten, ich steckte es in den Müll und kaufte mir für die Konzerte ein neues Kleid, eines, an dem keine Erinnerungen klebten. Rasch zog ich mir etwas ganz Normales, Unauffälliges an, schnappte mir meine Bailly und ging in den Park.
    Ich suchte mir einen Platz vor dem Washington Square Arch. Er erinnerte mich an den Arc de Triomphe in Paris und an andere Plätze in Städten, die ich gerne einmal besuchen würde, wie zum Beispiel Rom.
    Ich stand in der Nähe des großen Brunnens mit Blick auf den Triumphbogen, setzte die Bailly ans Kinn, legte resolut die Finger auf den Hals des Instruments und strich mit dem Bogen über die Saiten. Bevor ich auch nur überlegen konnte, was ich eigentlich spielen wollte, hatte mein Körper bereits die Entscheidung getroffen.
    Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf den ersten Satz, das Allegro aus dem »Frühling« von
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