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77 Tage

77 Tage

Titel: 77 Tage
Autoren: Lucie Flebbe
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So bin ich doch gar nicht.
    Und weitergedacht: Wegen Mario soll unser Kind im Gefängnis aufwachsen? Kommt nicht infrage!
    Deshalb wohne ich wieder bei meiner Mutter. Seit gestern. Sie hat sich nicht gerade gefreut. Wie erwartet. Aber sie hat mich doch aufgenommen.
    Jetzt sitze ich in meinem alten Kinderzimmer. Inzwischen ist es zum Gästezimmer umfunktioniert. Hat sich aber nicht wesentlich verändert, denn meine alten Möbel stehen noch drin.
    Mario hat nicht damit gerechnet, dass ich gehe. Immer noch nicht. Obwohl ich meinen Wäschekorb ja schon mehrmals gepackt hatte. Er hat nicht geglaubt, dass ich ihn wirklich verlassen könnte.
    »Das kannst du nicht machen, Bella! Du kannst doch unsere Ehe nicht einfach wegschmeißen! Du machst alles kaputt!«
    Kann ich.
    Er hat sich entschuldigt. Für seinen Ausbruch. Wie immer. Mir die Füße geküsst. Wie immer. Mir sogar recht gegeben.
    Alles, damit ich tue, was er will.
    Das ist mir jetzt klar.
    »Ich verstehe, dass du Abstand brauchst. An deiner Stelle würde ich auch ausziehen.«
    Trotzdem hat er nicht gedacht, dass ich es wirklich tue.
    Bis zu meiner Mutter ist er mir nachgelaufen. Hat argumentiert. Gebettelt. Gewinselt.
    Gegenargumente fielen mir natürlich nicht ein. Brauchten sie auch nicht. Er hätte mich sowieso nicht zu Wort kommen lassen. Meinen Standpunkt nicht gelten lassen. Meine Meinung wieder mal wegdebattiert.
    Die Zeit zu reden ist vorbei.

34.
    Anna – beziehungsweise Annabell – Willms war weder mollig noch schüchtern. Die Teamleiterin entsprach ganz und gar nicht dem Bild, das ich mir in meiner Fantasie von der Schreiberin von Bellas Blog gemacht hatte. Anna war nicht chaotisch, nicht einfältig und kein typisches Weibchen. Im Gegenteil, Anna Willms war kompetent, sorgfältig und zugeknöpft. Unnahbar fast. Sie hatte eine Führungsposition und wurde von ihren Mitarbeiterinnen geschätzt.
    Ausgerechnet die Teamleiterin sollte die verunsicherte Frau sein, die sich zu Hause von ihrem prolligen Ehemann zusammenfalten ließ? Die sich monatelang die Probleme ihrer geltungssüchtigen Freundin anhörte, um dann im kritischen Moment von ihr im Stich gelassen zu werden?
    Während der Autofahrt unterrichtete ich Danner in Kurzform über den Inhalt des Blogs und der Gefahr, in der ich Anna Willms vermutete.
    Als wir das relativ neue Einfamilienhaus an der Wittener Straße erreichten, kamen mir dennoch Zweifel. Das Neubaugebiet war noch wenig besiedelt. Matschbraunes Brachland umgab das frei stehende Haus. Ein feiner Regenschleier hüllte die strahlend weiße Fassade in sein helles Grau.
    Andere Möglichkeit: Sie hatte eine kreative Fantasie und Bellas gesamten Blog frei erfunden?
    Ein dreistimmiger Gong dudelte freundlich und leise durch das Haus, während ich meinen Daumen ungeduldig auf den Klingelknopf presste.
    Wir warteten eine Weile, doch drinnen rührte sich nichts.
    »Wenn sie wirklich schwanger ist, geht’s ihr vielleicht einfach ein paar Tage lang nicht gut. Das kommt doch ständig vor, oder?«, wollte Danner von mir wissen.
    »Dass der Ehemann einen am Hals hochhebt, aber nicht«, entgegnete ich. »Hoffe ich jedenfalls.«
    Danner stützte die Hände auf das Becken und sah am Haus hinauf zu einem zum Lüften angekippten Fenster im ersten Stock. »Und das steht alles in diesem …?«
    »… Blog, ja. Kannst du die Tür aufmachen?«
    »Wie bitte?«
    »Du hast mich schon richtig verstanden. Privatdetektive können so was doch. Mit einer Kreditkarte, oder so! Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, mir beizubringen, wie das funktioniert.«
    »Okay.« Er zückte sein Portemonnaie. »Detektivregel Nummer drei: Lass dich nicht erwischen.« Er schob seine EC-Karte in den Türspalt. »Klappt nur, wenn die Tür nicht von innen verschlossen ist. Nicht die Seite mit dem Magnetstreifen, sonst isse hin. Von oben nach unten den Schnapper aus dem Schloss drücken. Mit Gefühl.« Mit einem leisen Klacken sprang das gut geölte, neue Türschloss auf. Danner senkte automatisch die Stimme. »Die EC-Karte zu benutzen ist übrigens eher ungünstig. Wir besorgen dir ein paar Geschenkkarten von Tchibo zum Üben.«
    Er klopfte mit den Fingerknöcheln laut gegen die aufgebrochene Haustür, bevor er zögernd eintrat.
    »Frau Willms? Anna? Ben Danner, vom Pflegedienst. Ist alles in Ordnung?«, rief er in den geräumigen Flur.
    Im Haus herrschte Ruhe. Der Flur war sauber und ordentlich, die hellen Fliesen geputzt, wenige Jacken an der Garderobe aufgehängt. Nur ein einzelnes Paar
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