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74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben
Autoren: Karl May
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Skizzensammlungen, sind Vorübungen, sind Vorbereitungen auf späteres. Gelingt mir dieses Spätere, so ist alles, durch was ich mich darauf vorbereitete, gerechtfertigt, mag man jetzt darüber denken und schreiben, wie oder was man will.
    Nun bleibt nur noch eine Schlußbemerkung in Beziehung auf die Münchmeyerromane übrig. Einer meiner erbittertsten Gegner schrieb, ich solle es ja niemanden weismachen, daß ein Schundverlag sittliche Romane in unsittliche verwandeln könne; das würde eine Riesenarbeit sein, der niemand gewachsen ist. Dieser Herr scheint so glücklich zu sein, dem Leben und Treiben eines Schundverlages unendlich fern zu stehen. Erstens, wenn jemand der Zeit und der Mühe gewachsen ist, einen Roman zu schreiben, so muß man doch noch viel mehr der kürzeren Zeit und der geringeren Mühe gewachsen sein, diesen Roman umzuändern! Zweitens erfordert eine solche Umänderung keineswegs so viel Zeit und Arbeit, wie mein Gegner anzunehmen scheint. Die Einfügung von einigen Worten genügt vollständig, einen ‚moralischen‘ Druckbogen in einen ‚unmoralischen‘ zu verwandeln. Drittens sind Kräfte mehr als genug für solche Umarbeitungen vorhanden, und sie besitzen eine so erstaunliche Routine darin, daß selbst der Kenner sich über die Masse, die sie bewältigen, wundert. Ich habe hierüber Beweise erbracht und werde auch noch weitere bringen. Das oft erwähnte Faktotum Walther saß bei Münchmeyers täglich von früh bis abends, nur um solche Arbeiten zu machen und dann die Korrektur zu lesen, die der Verfasser niemals zu sehen bekam. Was erst Fischer, der Käufer des Münchmeyerschen Geschäftes, und dann einige Jahre später seine Erben mir über diese Umarbeitung meiner Romane materiell und gerichtlich bezeugten, ist bekannt. Hierzu hat Münchmeyers Neffe, der Obermaschinenmeister war, als Zeuge im Prozeß bestätigt, daß Münchmeyer mit seiner eigenen Hand ganze Kapitel verändert hat. Ein anderer Zeuge hat beschworen, Münchmeyer habe ihm eingestanden, daß er an meinen Romanen große, umfangreiche Änderungen vornehme, ohne es mir sagen zu dürfen. Ich brauche hier wohl nicht noch weitere Beispiele, die mir zur Verfügung stehen, anzuführen, um es begreiflich zu machen, daß ich absolut die Vorlegung meiner Originalmanuskripte verlange, deren Beweiskraft doch jedenfalls eine ganz andere ist als etwa die dunkle Erinnerung eines alten Schriftsetzers, der man es zumutet, sich nach dreißig Jahren in dem Tohuwabohu der damaligen Münchmeyerschen Schriftkästen zurechtzufinden. Übrigens stechen diese Änderungen oft so scharf von meinem Urtext ab, daß sehr zahlreiche Leser mir versichern, ganz genau sagen zu können, wo die Fälschung beginnt und wo sie endet.
    Zuletzt kann ich es nicht unterlassen, auf einen Trick meiner Gegner und besonders des Herrn Lebius aufmerksam zu machen, den man anwendet, um meine den höhern Kreisen angehörenden Leser gegen mich zu empören. Da wird zum Beispiel an auffälliger Stelle gesagt, daß ich in hervorragender Gesellschaft in Dresden verkehre und daß ich mir überhaupt die größte Mühe gebe, mit hochstehenden Leuten bekannt zu werden. Hiervon ist kein Wort, kein Buchstabe wahr. Bin ich ‚Hans für mich‘, so fühle ich mich am wohlsten, und ich wünsche in dieser Beziehung weiter nichts, als ‚Hans für mich‘ zu bleiben. Ich möchte den Menschen sehen, der mir den Nachweis liefern wollte, ich hätte mich ihm gesellschaftlich aufgedrängt! An andern Stellen wird emphatisch behauptet, daß ich an ‚Höfen‘ verkehre. Das ist erst recht nicht wahr. Wenn irgendeine aristokratische Persönlichkeit, die zu irgendeinem ‚Hofe‘ gehört, meine Bücher liest und gelegentlich einige Worte mit mir spricht, so bin grad ich der allerletzte, der dies dahin auslegt, daß ich ‚bei Hofe verkehre‘. Es kann diesen Behauptungen, die pure Erfindungen sind, nur die Absicht zugrunde liegen, mich den betreffenden Kreisen als indiskret oder gar als Lügner zu kennzeichnen und mich selbst da zu schädigen, wohin ich absolut nicht gehöre.
    Am Schluß dieses Bandes komme ich auf den Anfang zurück, auf mein altes, liebes Märchen von ‚Sitara‘, von dem ich ausgegangen bin. Nicht lange Zeit mehr, so wird man dieses Märchen als Wahrheit kennenlernen, und zwar als die greifbarste, die es gibt. Es ist die Aufgabe des begonnenen, gegenwärtigen Jahrhunderts, unsere ungeübten Augen für die große, erhabene Symbolik des alltäglichen Lebens zu schärfen und uns zu
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