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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof
Autoren: Karl May
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ich nun nicht zu sagen brauche. Halten wir Wort, du und ich, wir beide! Kinderseelen sind das köstlichste, was Gott den Menschen anvertraut. Möge das unsere sich in so guten, treuen Händen befinden wie der Pachthof, den ich Ihnen, Felber, jetzt übergebe! Ja, Sie sind der neue Pächter! Mit Ihnen kommt Ihr Sonnenscheinchen mit durch dieses Tor. Sie sind gewöhnt, ‚Im Sonnenschein‘ zu wohnen. Nennen wir das Gut also wieder so, wie es früher geheißen hat: ‚Zum Sonnenschein‘, meinetwegen auch ‚Der Sonnenscheinhof‘, ganz wie Sie wollen! Gott segne Ihren Eingang! Ich öffne Ihnen die Tür.“
    Er schob den Flügel auf und trat mit Felber ein, der vor freudiger Überraschung kein Wort zu sagen vermochte. Die Frauen wollten folgen. Er aber hinderte sie daran, indem er die Hand vorstreckte und einen munteren Ton anschlagend, fortfuhr:
    „Bitte, ihr nicht mit! Es gilt nur, die Leute hier zu benachrichtigen. Dazu reichen wir beide aus. Ihr aber geht mit den Kindern voran zur Schwiegermutter, um nach zusehen, ob ihr der Schreck noch immer in den Gliedern liegt. Dann kommen wir nach. Sagt nur, das Sonnenscheichen habe Hunger, dann wird sich alles machen!“
    „Auch die warmen Umschläge?“ fragte das ‚Majörle‘, indem es seine Mütze abnahm und seine Kopfblessur zeigte.
    „Sei unbesorgt, mein Junge!“ antwortete der Vater. „Du wirst sie sicher bekommen. Wir wissen nun, daß dir auch noch ganz andere Umschläge nötig sind. Das Sonnenscheinchen hat uns die Augen geöffnet. Bedanke dich bei ihm!“

Des Kindes Ruf
    Die Nachmittagsschule war aus, und die kleinen, acht- bis neunjährigen ABC-Schützen rutschten fröhlich von ihren Bänken, um die unliebsame Gefangenschaft mit der goldenen Freiheit zu vertauschen.
    Der Lehrer hatte sich an der Tür postiert, um sich die schüchternen Händchen zum Abschiede darreichen zu lassen.
    „Fährmanns Paul, deine Hand mag ich nicht!“ wies er einen strammen, schwarzäugigen Lockenkopf zurück, welcher ihm mit offenem Lächeln die Finger der ausgespreizten Rechten entgegenstreckte.
    Der Kleine zog die Hand zurück und sah den Lehrer fragend an.
    „Hast du dich gewaschen?“ fragte ihn dieser.
    „Nein.“
    „Heut' nicht?“
    „Nein.“
    „Gestern auch nicht?“
    „Nein.“
    „Wann denn?“
    „Gar nicht.“
    „Und gekämmt auch nicht?“
    „Nein.“
    Er schüttelte dabei langsam den Kopf und machte eine Miene, welche deutlich besagte, daß er sich gar nicht erklären könne, warum irgend jemand gewaschen und gekämmt sein müsse.
    „Sieh einmal deine Finger an, Paul; die kleben ja vor Schmutz; an deine Füße ist der Schlamm gebacken, und in den Haaren hängt Heu und Stroh. Schläfst du denn auch so?“
    „Ja.“
    „Im Bett?“
    „Nein.“
    „Wo denn?“
    „Im Kuhstall und – und auf dem Heuboden.“
    „Was?! Der Fährmanns Paul schläft im Kuhstall?“ Der gute Mann konnte nicht begreifen, warum der reichste Junge im Dorf kein anderes und besseres Lager habe. „Und schau, wie deine Hosen zerrissen sind und die Jacke auch! So darfst du mir nicht wiederkommen; so bist du ja der echte Struwwelpeter! Sag's deiner Mutter; sie soll dich reinlicher in die Schule schicken!“
    Die roten Wangen des Getadelten färbten sich jetzt noch tiefer, und seine hellen Augen wurden feucht. Mit gesenktem Kopf schlich er sich auf die Straße, wo die anderen sich mit teilnehmender Miene um ihn scharten. Nur einer schien sich über den Verweis zu freuen.
    „Des Fährmanns Paul ist der Struwwelpeter“, rief er; „er darf nimmer so in die Schule!“
    Im nächsten Augenblick hatte der Beleidigte seine Schiefertafel auf die Erde gelegt, packte den Spötter, warf ihn zu Boden und gab ihm ein paar Ohrfeigen, daß es schallte.
    „Da hast du den Lohn, du Galgendieb!“ meinte er dann ruhig, indem er seine Habseligkeiten wieder an sich nahm. „Du bist ein Schimpfmaul und darfst nimmer mit uns spielen!“
    Der kleine Goliath erhielt weder Abwehr, noch Gegenrede, und das hatte seine Gründe. Der Fährmanns Paul war gar hoch angesehen bei seinesgleichen; er fürchtete sich vor keiner Gans und vor keinem Hund; er riß sogar vor keinem Pferd aus, und was das beste war, er konnte so unbeschreiblich schön spielen und ersann immer neue Dinge, an die selbst der Herr Lehrer gar nie gedacht hätte. Darum war er der Hauptmann von der Löffelgarde, und es gab kein größeres Unglück, als wenn er einem das Mittun verbot.
    Heute ging es gar nicht so lustig wie sonst auf dem
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