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69

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Titel: 69
Autoren: Ryu Murakami
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Yuji Shirokushi und seine Bande hatten unter Aihara zu leiden. Während des Judo-Trainings warf er sie zu Boden, während er sie im Schwitzkasten hielt, oder quetschte ihre Eier oder schleuderte sie gegen die Wand oder hielt sie an den Ohren fest und trat ihnen die Füße weg, solche Sachen. Man hat echt keine Chance gegen einen Lehrer mit Muskeln.
    Er packte mich wieder bei den Haaren und begann, mich den ganzen Weg zum Lehrerzimmer zu zerren. Shirokushi, Adama und Iwase starrten uns mit offenem Mund an, als wir an ihnen vorbeikamen. »Sag ... sag nicht«, sagte der Pomadenkopf, »sag nicht, er hat versucht, Kazuko zu besteigen!«

    Sie ließen mich dort eine Stunde lang in der Ecke stehen. Das Schlimmste daran war, dass jeder Lehrer, der vorbeikam, mich fragte, was ich angestellt hätte, und ich die ganze Sache jedes Mal von Neuem erklären musste. Der Mann, der für den Zeitungs-Club verantwortlich war, und der Fachlehrer mussten sich beide bei Yoshioka, Kawasaki und Aihara entschuldigen. Das bedeutete, dass zwei Lehrer meinetwegen Dreck fressen mussten.
    Und ich hatte nicht einmal eine Chance gehabt, mit Lady Jane zu sprechen.

    »Masutabe-chan. Du hast aber auch einen Namen. Was dagegen, wenn wir dich einfach ›Wichser‹ nennen?«
    Nur Adama und ich konnten über den Witz lachen. Tatsuo Masutabe - ein Schüler aus der zweiten Klasse, der uns die Acht-Millimeter-Kamera »geliehen« hatte - war ein ernsthafter kleiner Kerl. Er war außerdem Mitglied der politischen Vereinigung, die von Narushima und Otaki angeführt wurde, und er war gekommen, um uns mitzuteilen, dass er uns das Ding nur leihen würde, wenn wir einen Film mit radikalem Inhalt machten. Adama versuchte, ihn zu beruhigen, indem er ihm erzählte, dass wir den Kampf des Volkes zwar nicht direkt behandeln würden, aber dass es eine Menge andere Möglichkeiten gebe, das anzupacken, zum Beispiel den Symbolismus wie bei Godard und so weiter, klar? Aber Masutabe bat uns, das mit seiner Gruppe zu besprechen.

    »Guten Morgen.«
    Eine Stimme wie eine Frühlingsbrise. Ich blieb auf dem Hügel vor der Schule stehen und drehte mich um, und da stand mein Bambi: Kazuko Matsui. Ein Schauer lief mir den Rücken runter.
    »Oh, hallo auch«, sagte ich mit einem Lächeln, legte meinen Arm um ihre Schultern und streichelte ihr Haar. Von wegen! Ich konnte kaum sprechen.
    »Bus?«, sagte sie. Sie fragte, wie ich zur Schule kam.
    »Nein. Zu Fuß. Du?«
    »Bus.«
    »Ist er voll?«
    »Ja. Aber nicht schlimm.«
    »Oh. Äh, weißt du, ich habe mich gefragt ... wer hat eigentlich angefangen, dich Lady Jane zu nennen?«
    »Einer aus der Abschlussklasse.«
    »Nach dem Lied von den Stones?«
    »Mhm. Ich hab das Lied mal sehr gemocht.«
    »Es ist gut. Magst du die Stones?«
    »Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel über sie. Ich mag Dylan, die Beatles ... Aber am liebsten mag ich Simon and Garfunkel .«
    »Ach ja? Die mag ich auch.«
    »Hast du Platten von ihnen?«
    »Klar. Wednesday Morning 3 A.M., Parsley, Sage, Rosmary and Thyme und, äh, Homeward Bound .«
    »Was ist mit Bookends ?«
    »Hab ich.«
    »Wirklich? Kann ich sie mir mal ausleihen?«
    »Klar.«
    »Ehrlich? Danke! Ich liebe dieses Lied At the Zoo. Findest du den Text nicht auch Spitze?«
    »Oh ja - klasse.«
    Ich überlegte, wie ich Bookends in die Finger bekommen konnte. Ich musste es noch am gleichen Tag kaufen, egal wie. Ich würde das Geld irgendwie zusammenkratzen, Adama und Iwase dazu bringen, was dazuzulegen. Sie würden die Notwendigkeit bestimmt einsehen. Alles für unsere Hauptdarstellerin.
    »Denkst du immer über solche Sachen nach?«
    »Welche Sachen?«
    »Die Sachen, die du neulich Herrn Yoshioka gesagt hast.«
    »Ach, Vietnam und so?«
    »Ja.«
    »Also, nicht direkt, aber es ist überall, egal wohin du schaust, oder? In den Nachrichten und so.«
    »Liest du viele Bücher?«
    »Klar.«
    »Wenn du was Interessantes hast, würdest du es mir dann leihen?«
    Ich wünschte, der Hügel vor der Schule würde kein Ende nehmen. Ich wollte immer so weitergehen und mit ihr reden. Es war das erste Mal, dass ich entdeckte, wie wunderbar man sich fühlen konnte. wenn man einfach nur neben einer schönen Frau ging und redete.
    »Weißt du, im Fernsehen sieht man manchmal, wie Schüler demonstrieren und Schulen besetzen und so. Es ist für mich eine ganz andere Welt, aber ... aber ich habe das Gefühl, ich kann sie verstehen.«
    »Ach?«
    »Du hast gesagt, Shakespeare ist lächerlich, nicht? Ich finde das
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