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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten
Autoren: Manfred Rebhandl
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Versorger-Vertrag für das Mutterschiff ausgerüs­tet? Oder lebt sie vielleicht oben im Franzosenhimmel und strickt schwarze Rollkragenpullover für die ganzen Napoleons? Jetzt, in der beinahe schon ewigen Selchkammer seines Lebens, denkt er nur noch mit Wärme und schönen Gefühlen an sie, und trotzdem sie ihm damals davongerannt ist mit ihren zwei Muttiduttis, ist sie doch immer bei ihm geblieben, in seinem Herzilein, da wohnt sein Mütterlein.
    Und wenn er bald wieder andocken wird an ihre gewaltigen Dutteln, so wie er sich das Sterben und den Himmel vorstellt, dann wird er sich auf ihren Schoß legen, sie wird ihn in den ewigen Schlaf wiegen, und er wird nicht mehr aufstehen, so müde ist er jetzt, so müde, „gute Nacht, Mutti, schö tem!“
    Der Biermösel wartet dann darauf, dass die Sonne endgültig verschwindet und mit der Sonne auch er. Er wartet auf die fins­tere und abweisende Nacht, die ihn bald auffressen wird. Das gewaltige Angebot an verfaultem Fleisch, das er geschaffen hat, hat auch im Tierreich eine Goldgräberstimmung ausgelöst und jede Menge Abenteurer und Trittbrettfahrer angelockt, die sich nur den Magen vollschlagen wollen und bei der Abreise nichts als Dreck und unbezahlte Rechnungen zurücklassen, so wie die Tagestouristen und Sommerfrischler. Sie alle stehen jetzt um sein Fleisch an, Hyänen und Schakale, Würmer und Maden, und besonders vorwitzig der Geier, der oben am Abendhimmel seine Kreise immer enger zieht und nur noch darauf wartet, dass er die Flügel einziehen und in den Sturzflug übergehen kann, die Koordinaten hat er genau auf „Arsch“ eingestellt und den Schnabel auf „messerscharf“ geschliffen, heilige Maria, Mutter­ Gottes! Sobald der seinen Geierschnabel in seinen Arsch hinein­hackt, wird es so weit sein, weiß der Biermösel, und ratzfatz wird er ihm den Darm herausreißen und vor allen anderen Leckereien fressen. (Wenn er in dieser ausweglosen Situa­tion noch einen Wunsch äußern dürfte, dann vielleicht den, dass er schon bewusstlos sein möge, wenn er ihm den Arsch aufreißt, dort ist er nämlich besonders empfindlich.)
    Der Biermösel macht dann die Augen zu und wartet, und während er wartet, sieht er auf einmal nur noch Bierflaschen vor seinem inneren Auge vorbeiziehen, was am Anfang ein herrlicher Anblick ist, aber dann macht er ihn ein bisserl traurig. Wenn das nämlich noch nicht die große Abfüllhalle oben im Himmel ist, in die er eingeladen ist, dann ist es sein Leben, das da an seinem inneren Auge vorbeizieht, und er erinnert sich, wie er die Tunichtgute immer genau darauf aufmerksam gemacht hat, bevor er ihnen die Glock an die Stirn gesetzt hat, „Ruhe jetzt! Gleich fängt der Film an!“
    Aber viel war da scheinbar nicht los bei ihm in seinem Leben. Ausgesoffene Bierflasche reiht sich an ausgesoffene Bierflasche, dazwischen sieht er Regen, der von Schnee abgelöst wird, und Nebel, der eisglatte Straßen einhüllt.
    Die längste Zeit sieht er nicht mehr als das, bis es dann zum Schluss hin noch einmal ein bisserl spannend wird und ein Schuss Action hineinkommt, mit dem Pfarrer Hein, von dem er im Herbst das kleine Volk erlöst hat, und dem Chef vom Ganzen, von dem er gerade vorhin das große Volk erlöst hat. Zum Schluss hin hat er doch noch einmal Gas gegeben, mit dem Joe als treuem Begleiter, und wenn er auch die Jahre und Jahrzehnte davor genug Zeit vertrödelt hat, so hat er die Jahre und Jahrzehnte davor auch genug Bier gesoffen, und das war dann ja auch irgendwie sehr schön.
    Halt!
    Der Biermösel spult den Film dann noch einmal kurz zurück, als er zwischen zwei gesoffenen Bierflaschen eine Minute dreißig in seinem Leben ausmachen kann, in der er scheinbar ausgesprochen glücklich war. Aber der Film läuft dann einfach wieder viel zu schnell, und die Szenerie ist zu schlecht ausgeleuchtet, als dass er genau sehen könnte, mit wem er damals glücklich war. Also wird er halt auf den großen Rätsellöser in der anderen Welt drüben warten müssen, der es ihm verrät.
    In dieser unwürdigen Haltung, in der er da aufgebockt ist, mit dem Arsch himmelan und der Hose unten, mit der Zunge pelzig und den Fingernägeln dreckig, mit den Augenbrauen unbehandelt und dem Haarstock komplett steif vom ganzen vertrockneten Bier, will er jetzt nicht einmal mehr von einer leichtbeschürzten Einheimischen gerettet werden, wie das dem Jason Castelli jedes Mal widerfährt. Irgendwie hat er sich immer gewundert, warum der auch nach seinen ganzen
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