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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten
Autoren: Manfred Rebhandl
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den Sondertrakt verbannt und ihm keine rosige Zukunft prophezeit hat, sondern eine traurige, „mit deiner ganzen Furzerei wirst du es nicht weit bringen!“, hat er gesagt, aber da hat er sich natürlich getäuscht. Nur dass er ausgerechnet mit seiner General-Jaruzelski-Brille am Schädel sterben darf, die er ihm beim großen Verhör abgenommen hat, das stört den Biermösel natürlich schon ein bisserl.
    So wie der Biermösel sein Trottelvolk jetzt kennt, wird die ganze depperte Wahl erst einmal abgesagt werden, aber da sind die Herrscher natürlich auch ein bisserl selber schuld. Hätten sie ihn nur grillen lassen und auf das Wort „Urlaubssperre“ verzichtet, hätte einer von denen auf dem Weg Richtung Weltenende die Reißleine gezogen und ihm den Urlaubsschein unterschrieben, dann könnte das ganze verbliebene Trottelvolk jetzt wählen und sein Elend fortschreiben. Stattdessen werden alle den Weinkrampf kriegen, und die falsche Frage wird lauten: Wie hat denn so was überhaupt passieren können?
    Anstatt dass sich einer die viel drängendere Frage stellt:
    Wer rettet denn endlich den Biermösel aus seiner verzwickten Lage?
    Er hat jedenfalls aufgeräumt wie die Anni die Scheißhäuser der Bürgerstöchterl und Herrschaften um drei Uhr in der Früh. Zwar ist ihm alles ein bisserl aus dem Ruder gelaufen, das gibt er ja gerne zu, und die Frage muss erlaubt sein: Was hat ihm sein Feuerwerk gebracht? Weder sitzt er heute vor der Grillsau, die über seiner selbstgemachten Holzkohle brutzelt, wie es sein Wunsch war. Noch gibt es irgendwo da draußen ein Volk, das sein Leben in Freiheit und ohne die Gutsherrenpeitsche der depperten Bundesregierung auf den Arsch genießen könnte, weil ausnahmslos alle tot sind. Also was hat die ganze Furzerei gebracht?
    Lustig war es. Und ob es was gebracht hat, das weiß man ja immer erst später.
    Nachdem ihn also keiner so schnell retten wird, wie es ausschaut, kehrt der Biermösel von seinem heroischen Kampf gegen die große Politik wieder zurück zu seinen eigenen kleinen Problemen. Wenn nichts Überraschendes mehr passiert, dann war’s das mit ihm. Mit der Sonne im Westen versinkt auch sein Stern. In dieser unwürdigen Stellung endet sein Leben, das Leben des großen Edgar Evenhoe Biermösel aus Aussee her­üben, der das Land in eine tiefe Krise gestürzt hat. Und mit ihm endet die ganze Dynastie der Biermösels, so wie sie gelebt haben – unwürdig und lächerlich, wie es immer ihre Art war, weggeworfen wie ein alter Schuh, am Ende zu nichts anderem gut als zu Aas. Ein einziger kleiner Windstoß noch, und sein verdorrtes Blatt wird vom Stammbaum des Lebens herunterfallen, darauf wartet er und wartet er noch immer, denn endlich ist auch er ausgetrocknet. Kein Tropfen Nass quillt mehr aus ihm heraus. Kein Bier, das ihm aus dem Schädel herauswächst und an dem er sich noch selbst laben könnte. Kein Schweiß, der seine Achselhöhlen zum Stinken bringt. Noch nicht einmal ein Tröpfchen Lulu, das ihm unkontrolliert ausläuft und seine Hose nässt. Nichts.
    Stattdessen zieht er sich immer weiter zusammen wie eine Dörrzwetschke. Die Haut wird ihm langsam eng, und die Augen treten weit heraus, ausgerechnet seine messerscharfen Adleraugen, auf die es die Aasfresser immer als Erstes abgesehen haben.
    „Da … so … hei … sei …?“
    Er versucht sich noch einmal mit der Sonne zu messen, ein allerletztes Mal. Aber seine Zunge ist trocken wie Kohle, und die Sonne lässt sich von ihm nicht mehr verhöhnen. Nicht einmal verabschieden kann er sich von der depperten Welt, weil ihm ja die Hände gebunden sind und er kein Winki, Winki mehr machen kann. Am Ende seiner Tage zeigt er dem unerfüllten Leben nur seinen nackten Arsch, und das gefällt ihm dann fast schon wieder, einen schöneren Abschiedsgruß hat sich das Leben von ihm nicht verdient.
    Der Biermösel weidet sich dann an der feurigen Abendröte im Westen und denkt dabei noch einmal kurz an die Grillsau, wegen der er den ganzen Zirkus veranstaltet hat, „du blöde, depperte, untreue Grillsau!“ Er denkt auch noch einmal kurz an seinen Bruder, den er überraschend hat kennenlernen dürfen und der ihm schon vorausgegangen ist hinüber ins Schattenreich, „bis bald!“ Und dann denkt er mit wirklicher Wehmut an den Alten, der auch irgendwo da oben herumfliegen wird, wo es schön ist, „Freundschaft!“
    Und wo wird die Mutti sein?, fragt er sich dann.
    Oben in der Milchstraße bei den vielen Außerirdischen, mit einem ewigen
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