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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten
Autoren: Manfred Rebhandl
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stehenden Hitze in ihren Häusern Kopf voran in den vermeintlich rettenden See gesprungen sind, in dem aber kein Wasser mehr auf sie gewartet hat, sondern nur der zupackende Tod auf glühend heißen Felsen, Stichwort: Schädelbruch.
    Die Natur? Wo früher Bäume waren, da stehen jetzt Kakteen, statt springender Bächlein liegen nackte Steine in der Sonne, anstelle der vertrauten saftigen Heimat gibt es bald nur noch fremde Wüste. Brennende Schwere. Zunder, der nur darauf­ wartet, dass einer die Flammen des Zorns wirft, und der Biermösel kann sich gut vorstellen, dass dieser Flammenwerfer er sein wird.
    149 Hitzetote alleine seit den Maifeiern, die er mit dem Alten zusammen drüben im Siechenheim in Goisern verbracht­ hat. Er hat ihn in schwere Decken gehüllt und im Garten herum­getragen, und dann hat er ihm versprochen, dass es bald besser wird mit den Temperaturen, seit seinem Aufenthalt drüben in Stalingrad war er ja von oben bis unten eingefroren und hat sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass er den Phantomschmerz in seinen abgeschnittenen Haxen noch einmal in kurzen Hosen genießen darf.
    149 Hitzetote also, darunter das Fidele Goldkehlchen-Trio, drei Schwestern von seltener Blondheit, die am Humtata-Wochenende neben dem Weiß Ferdl im Frühschoppenprogramm hätten auftreten sollen, und die dabei wieder von Morgenrot und Regenbogen, von Wolke sieben und der Sehnsucht nach den Sternen gesungen hätten.
    „Wo genau soll die Liebe wohnen?“, hat der Biermösel sie vor einem Jahr im Bierzelt drinnen noch angeschrien, als sich wieder einmal abgezeichnet hat, dass er trotz Schunkeldi und Schunkelda wieder als Einziger alleine nach Hause gehen wird müssen, und sie haben zurückgeträllert:
    „Dort auf Wolke sieben!“
    „Geht’s ein bisserl genauer, Kruzifixnocheinmal?!“
    Aber na gut, denkt sich der Biermösel jetzt beinahe versöhnt, heuer wird ihm das ganze Theater erspart bleiben, weil die drei heuer im Sarg unten liegen, während er selbst gemütlich grillen wird.
    Der Biermösel kann also durchaus zufrieden sein mit einer ersten kleinen Zwischenbilanz seiner Erwärmung. Aber noch ziehen am Abend einzelne Nebelschwaden durch das Tal und legt sich am Morgen der Tau auf die Wiese, sodass er mit einer Decke als Unterlage grillen müsste, aber wenn der Biermösel von Grillen redet, dann meint er natürlich: keine Decke! Noch hat er also einiges zu tun, und hoppala, plus 41,7 ° im Schatten.

Saftige Heimat
    Solange es regnet und der Nebel von den Bergen herunterzieht, kommt der Mensch ja nicht auf die Idee sich zu fragen, was im Leben alles möglich ist. Und solange das Volk dicke Fäustlinge tragen muss, kann es gar nicht richtig zurückschlagen, weil ihm das Gefühl für die Visage fehlt, in die man hineinschlagen möchte.
    Seit der Biermösel aber mit seiner Erderwärmung die Nebelschwaden vertrieben und für die gute Sicht auf das allgemein beschissene Leben gesorgt hat, tut sich endlich was in der saftigen Heimat:
    Vorige Woche noch war Aussee sauber wie die Haut unter den Nägeln der Bürgerstöchterl. Aber seit einer Woche schaut es in der ehedem schmucken Landgemeinde aus wie in der südländischen Bananenrepublik Kongolien, und riechen tut es auch so, weil die kommunistisch dominierte Müllarbeitergewerkschaft den ganzen Krempel hingeschmissen und sich zur Flüchtlingsfamilie Bolivár in die Fußgängerzone dazugestellt hat, wo die Müllmänner mit ihnen „No nos moverán!“ singen und ihnen umgekehrt „Avanti popolo“ beibringen, was sie so lange tun werden, bis sie von der Politik endlich kurze Hosen zum Arbeiten kriegen anstatt der dicken Lodenanzüge, in denen sie auch bei der Hitze den Dreck wegräumen müssen. „Den Tagestouristen und Sommerfrischlern gefällt das so gut!“, sagt der Chef vom Ganzen zum Thema, aber den kommunis­tischen Müllarbeitern gefällt es nicht mehr!
    Überhaupt die Kommunisten!
    „Pass auf, Biermösel!“, hat ihnen schon damals der Ausbildner in der Gendarmerieschule oben in Linz im Fach „Politik heute, morgen und übermorgen – die großen Gefahren für das Land“ erklärt: „Wenn ich könnte, dann täte ich jeden Tag einen Kommunisten mitsamt seinen Arbeitnehmerrechten fressen, heilige Scheiße, aber leider schmecken die gefüllten Paprika von meiner Mutti viel besser als jeder zähe Kommunist!“
    Und weiter im Text:
    „Was ist schlecht an den Kommunisten? Na, passt’s bitte gut auf: Die Kommunisten kennen keine Zeltfeste, nur das
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