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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten
Autoren: Manfred Rebhandl
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soll heiß sein?“, hört der Biermösel nicht auf zu schreien, und während der andere nicht selten zu brennen anfängt, klettert er selbst zum Beweis seiner Widerstandskraft auf einen Baum hinauf, damit die Übung für ihn noch schwerer wird und die Tunichtgute und Verbrecher noch ein bisserl besser verstehen, dass einem wie ihm die Hitze nichts anhaben kann und es in diesen heißen Tagen keine gute Idee ist, sich mit ihm anzulegen.
     
    „Interessanter Typ!“, hat er während der Führerscheinabnahme schon so manchen Tagestouristen sagen gehört, während er ihn mit einem Bierkrug verwechselt und mit dem nackten Finger den Schaum von seinem Schädel geholt hat. Der Biermösel muss sich dann immer erst ein bisserl schütteln, damit auch der Blindeste unter den Tagestouristen und Sommerfrischlern den blitzblanken Sheriffstern unter dem ganzen ausgeschwitzten Bierschaum sieht, und dann gibt es immer das große Jammern und Wehklagen, wenn er ihnen den Leberhaken verpasst, aber das Jammern und Wehklagen ist natürlich nur Musik in seinen Ohren, ebenso wie das dauernde:
    „Feuer! Hilfe! Feuer!“
    Seit Wochen hört der Biermösel das Tatütata von den kleinen Grisus, die gar nicht mehr wissen, wohin zuerst. Der Wind trägt den Rauch und den Ruß von den Bränden herum und malt die Luft damit schwarz an. Die Flammen nagen den Gebirgskamm langsam von Osten nach Westen und von oben nach unten ab wie die Heuschrecken den Affenbrotbaum, genau so, wie es sein Plan vorsieht. Und schon bald wird ihm von dort herunter keiner mehr mit seinen abendlichen Gesangsübungen auf die Nerven gehen, insbesondere nicht der Volksmusikgott Weiß Ferdl, der sich dort oben in einen Spitzgiebelaltbau zurückgezogen hat und sein Geld zählt, wenn er nicht gerade einen neuen Sommerhit schreibt, mit dem er dann wieder sein Geld verdient, wenn der Biermösel vom Grillen redet, dann meint er insbesondere: keine Musik und kein gemeinschaftliches Singen!
    Das Schönste am neugeborenen Sommer und seiner heißen­, trockenen Luft aber ist, dass der Biermösel von seiner Schwitzhütte aus jetzt jeden Morgen den tiefen, versoffenen Diesel­motor vom alten Bierwagen vom Bierfahrer Ramzi an sein Ohr dringen hört, dem er lauscht wie ein kleiner Rotzbub dem Glöckchen zu Weihnachten. Er kennt genau seine Routen­ und die Tageszeiten, zu denen er ausliefert. Er erkennt die Brutto­registertonnen, die er aufgeladen hat, an den eingelegten Gängen, und den Ruß, den sein Wagen aus dem Auspuff heraus­würgt, den kann er sogar schmecken. Mehr als seine mittlerweile neunzehn Kinder (darunter: neunzehn Knaben und mögliche Nachfolger!) neidet er dem Ramzi die Millionen an Kilometern, die er da oben in seinem Führerhaus schon hat sitzen dürfen, komplett ohne Qualifikation und Berufung, ohne jede Bindung zum goldenen Gold, weil er als Muselmane natürlich den Alkohol ablehnt und die Kamelmilch vorzieht, Kruzifixnocheinmal, vielleicht wäre ja alles ganz anders gekommen, wenn er hätte Bierfahrer werden können, wer weiß, ob er dann überhaupt hätte grillen wollen?
     
    Seit er die Ernährung umgestellt hat und gemütlich vor sich hin furzt, kann der Biermösel jedenfalls berichten, dass die Sonne nicht mehr aufgehört hat zu scheinen. Nicht einmal in der Nacht lässt sie das Tal aus ihrer Umarmung und legt sich mit ihrer schweren Hitze auf die Wiesen und Wälder drauf, sodass unter ihrer Last alles ächzt und krächzt. Wie Schmirgelpapier poliert ihm die heiße Luft die Visage, wenn er auf seinem Wüstenschiff dahinreitet. Wo früher Haut war, da schimmern heute schon die verfaulenden weißen Knochen durch. Seine Augenbrauen? Verbrannt! Die Wimpern? Komplett verbogen von der Hitze. Die Nase? Du meine Güte, seine geschwollene, eitrige Nase! Wenn er die Augen zusammenschiebt und auf seine geschwollene, eitrige Nase hinunterschaut, dann sieht er diesen Fleischklumpen, um den herum sich die Fliegen drängeln, die sofort jeden herumliegenden Kadaver in der Gegend links liegenlassen, sobald sie nur seine Nase sehen, und der Biermösel redet jetzt weiß Gott nicht nur von toten Kuhlimuhs im Stall, den Schafen auf der Weide und dem Rotwild im Wald, die dort herumliegen und zum Stinken anfangen, seit er feuert.
    Auch jede Menge alte Witwen sind darunter, an die sich die Verwandtschaft erst wieder erinnert, wenn es das Erbe anzutreten gilt, „aber bitte nicht das vom Leichengeruch stinkende Haus, nur das Bargeld!“ Dazu die ganzen Wetterfühligen, die vor der
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