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39 - Satan und Ischariot III

39 - Satan und Ischariot III

Titel: 39 - Satan und Ischariot III
Autoren: Karl May
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Mann nahm. Ich muß hinauf zu ihr!“
    „Wie? Ihr kennt sie?“
    „Ja, wenn ich mich nicht ganz und gar irre. Das ist ein höchst interessanter Zufall, welcher mir wahrscheinlich von großem Nutzen sein wird. Madame, Ihr seid so lieb und freundlich zu mir gewesen; ich bitte, mir noch eine große, recht große Gunst zu erweisen!“
    „Wenn es in meiner Möglichkeit liegt, wird es sehr gern geschehen.“
    „Ihr seid nie in ein Gespräch mit der Dame gekommen?“
    „Noch nie.“
    „Der Zufall könnte es fügen, daß dies doch geschehe. Bitte, erwähnt nicht, weshalb ich bei Euch gewesen bin; sprecht überhaupt nicht von mir, und verbietet auch Eurer Mulattin, den Indianerinnen da oben zu erzählen, daß der vermeintliche Small Hunter eigentlich ein anderer ist.“
    „Sie weiß es noch gar nicht, und ich werde es ihr auch nicht sagen. Ihr wollt dieser Dame also wirklich einen Besuch machen?“
    „Auf alle Fälle!“
    Ich bedankte mich herzlich für die mir erwiesene Freundlichkeit und wurde aufgefordert, getrost wiederzukommen. Ich stieg die Treppe empor. Es gab da oben nur ein Entrée. Als ich die Glocke gezogen hatte, wurde von einem Mädchen geöffnet, in welchem auch ich sogleich eine Indianerin vermutete. Sie trat beiseite, um mich einzulassen, und öffnete, ohne mich zu fragen oder ein Wort zu sagen, eine zweite Tür, durch welche ich in ein sehr schön ausgestattetes Zimmer kam. Im Nebenzimmer hörte ich ein Geräusch. Die Portieren wurden auseinandergeschlagen, und vor mir stand – Judith Silberberg, die Jüdin, welche ich zuletzt als Verlobte des Yumahäuptlings gesehen hatte. Sie hatte sich seit damals noch mehr entwickelt und war schöner, höher und auch stärker geworden. Freilich zeigte der erste Blick gleich, daß sie ihre damaligen Anlagen fleißig ausgebildet hatte und eine vollständige Kokette geworden war. Sogar jetzt, daheim, wo kein Besuch zu erwarten war, hatte sie echte Diamanten am Hals und an den entblößten Armen schimmern. Sie erkannte mich auf der Stelle. In einem Ton, welchem halb Freude, halb Besorgnis anzuhören war, rief sie in spanischer Sprache aus:
    „Sie, Señor – Señor –! Welch eine frohe Überraschung! Wie habe ich mich gesehnt, Sie einmal zu sehen! Bitte, kommen Sie herein ins Boudoir! Setzen Sie sich zu mir! Wir haben uns viel, viel zu erzählen.“
    Sie zog mich an der Hand in ihr Zimmer, und ich mußte neben ihr auf dem Diwan Platz nehmen. Ja, sie war ein schönes Weib; aber der Scheitel lag voller Haarschuppen; der Hals schien heute noch nicht gewaschen zu sein; die schön geformten Fingernägel hatten Trauerränder. Sie behielt meine Hand in der ihrigen und sagte mit einem neckischen Augenaufschlag:
    „Ich muß Ihnen gleich von vornherein gestehen, daß ich Ihren Namen vergessen habe. Ist das nicht unverzeihlich?“
    „Allerdings, besonders da Sie mir soeben versicherten, sich so sehr nach mir gesehnt zu haben.“
    „Sie dürfen verzeihen! Man sieht, hört und erlebt soviel, daß man das einzelne leicht vergißt. Sie hatten, wenn ich nicht irre, zwei Namen, Ihren wirklichen und einen anderen, mit dem Sie von den Indianern genannt wurden. Dieser letztere hieß – hieß – wie nur gleich? Es war wohl Hand oder Fuß dabei!“
    „Old Firefoot“, fiel ich schnell ein, indem ich ihr einen falschen Namen sagte. Es war mir ungemein lieb, daß sie sich nicht mehr besinnen konnte. Sie hatte mit Jonathan Melton hier verkehrt; es war jedenfalls besser, wenn sie meine Namen nicht wußte.
    „Ja, ja, so war's – ein foot war dabei; das wußte ich“, nickte sie lachend. „Und Ihr Familienname? Wenn ich mich nicht irre, hießen Sie wie einer von den zwölf Monaten?“
    „März“, sagte ich.
    „Ja, März, März war es. Also, Señor März, können Sie sich besinnen, wie wir damals auseinandergegangen sind?“
    „Nicht eben sehr freundlich.“
    „Nein, gar nicht. Wissen Sie, welche Drohung Sie sogar aussprachen?“
    „Ja, das weiß ich noch.“
    „Hätten Sie den Mut, es mir heute zu sagen?“
    „Warum nicht? Ich wollte Sie peitschen lassen, falls Sie sich noch einmal von mir erblicken ließen.“
    „Schrecklich! Hören Sie nur, wie das klingt! Eine Dame, noch dazu eine junge, hübsche, prügeln lassen! Hoffentlich war es nur eine Drohung von Ihnen!“
    „Sie waren vom Gegenteil überzeugt, denn Sie haben sich dann nicht wieder sehen lassen.“
    „Also hätten Sie die Drohung wirklich zur Wahrheit gemacht?“
    „Ganz gewiß! Ich gebe Ihnen mein Wort,
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