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34° Ost

Titel: 34° Ost
Autoren: Coppel Alfred
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dass die unwiderruflich letzte Gelegenheit zum Handeln nun vorbei war. Er wandte sich zu seinem außerhalb des Bildfelds stehenden Adjutanten und sagte kaum hörbar: »Senden Sie: Befehl von Olympus: Waffenruhe.«
    »Danke, Admiral.« Bailey zeigte sich völlig ruhig. »Jetzt möchte ich bitte Mr. Beal sprechen. Und Sie, Admiral, übergeben Ihr Kommando an General Shackleford.«
    Ainsworth verschwand aus dem Bild. Bailey wandte sich ab und blickte Rostow eindringlich an. »Und nun zeigen wir uns gemeinsam. Sprechen Sie bitte mit Ihren Leuten.«
    Anatolij Igorewitsch Rostow blinzelte zu der amerikanischen Kamera hinauf und fragte dann, mit einem Blick zum sowjetischen Funkwagen: »Habe ich Verbindung mit Moskau?«
    »Bisher wurde alles empfangen.«
    Auf dem Monitor, der auf Moskau geschaltet war, erschien der Verteidigungsminister. Rostow fragte: »Haben Sie alles gehört, Marschall?«
    »Jawohl, Genosse Rostow. Aber ich glaube es nicht. Die Amerikaner haben mindestens ein U-Boot vernichtet und unsere Flugzeuge angegriffen.«
    Ein amerikanischer Techniker, der auf anderer Wellenlänge das Vorwarnsystem abhörte, meldete Tate und Bailey: »In Sewernaja Semlja wurden sechs FOB abgefeuert. Zeitspanne bis zum Auftreffen: dreizehn Minuten.«
    Rostow, der das hörte, rief: »Sofort Atomsatelliten außer Funktion setzen!«
    »Das wird schwierig sein«, erwiderte Morosow mürrisch.
    »Mir wollen Sie das einreden, Marschall? Die Trawler sind auf Station. Das wissen wir beide. Tun Sie, was ich sage, und zwar sofort!«
    Der sowjetische Verteidigungsminister war viel jünger als Stuart Ainsworth, aber in diesem Moment glich er ihm wie ein Zwillingsbruder, dachte Tate. Die gleiche Skepsis. Die gleiche Furcht. Das gleiche Misstrauen.
    »Die Amerikaner hören und sehen zu. Gehorchen Sie dem Befehl!« rief Rostow zornig.
    »Jawohl, Genosse Rostow.«
    Auf dem amerikanischen Monitor erschien Beals verstörtes Gesicht. Mit schwankender Stimme stammelte er: »Talcott … o Gott, Talcott, ich bin so froh, dass Sie leben. Ich habe dieses Amt nie gewollt, das schwöre ich. Ich wußte nicht, was ich tun sollte …«
    »Schon gut, Mr. Speaker, ich verstehe.«
    »Verstehen – ich würde den Kerl wegen Hochverrats unter Anklage stellen«, murmelte Seidel zu Tate.
    Über die ungeheure Distanz hinweg sagte Bailey: »Sie können getrost nach Hause gehen, Fowler. Wir haben nun alles unter Kontrolle.«
    »Danke«, sagte Beal leise. Schon im Weggehen drehte er sich nochmals um: »Ich danke Ihnen, Mr. President.«
    »Morosow ist verhaftet«, sagte Rostow zu Bailey.
    »War das nötig?« fragte der Präsident.
    »Ihr Amerikaner habt eure Methoden, und wir haben unsere. – Wollen Sie nun mit unserem Ministerpräsidenten sprechen?«
    Im Moskauer Bunker war einige Bewegung zu sehen, gleich darauf erschien das Staatsoberhaupt der UdSSR. Der alte Mann wirkte übermüdet, das starke Scheinwerferlicht betonte noch die tiefen Falten im Gesicht. »Die Gefahr ist abgewendet, Rostow«, sagte er leise. Dann erkannte er Talcott Bailey und rief spontan, seine kommunistische Weltanschauung vergessend: »Gott sei Dank! Gott sei Dank, dass Sie leben, Herr Präsident!«
    Im Raketenkommandobunker in South Dakota schrie und tanzte Lieutenant Epstein im Rhythmus des Entwarnsignals.
    Im Südchinesischen Meer sagten die Kapitäne der ›Nimitz‹ und der ›Juan Bosch‹ stille Dankgebete und befahlen, wieder auf Kurs zu gehen.
    Im unterirdischen NATO-Befehlsstand bei Brüssel stieß Lieutenant General Sir Alexander Clayborne leicht schaudernd einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
    Vor der Westküste von Honduras fotografierte ein Offizier eines sowjetischen Trawlers die herabtrudelnden brennenden Trümmer von sechs zerstörten Flugobjekten.
    In Washington, New York, Paris, London, Moskau, Leningrad, Tokio – in den Städten der ganzen Welt – spürten die verwirrten, verängstigten Menschen das Nachlassen der unerträglichen Spannung, und sie warteten auf eine Erklärung, die, wenn überhaupt, erst viel später erfolgen würde.
    An der Grenze zwischen Israel und Syrien nahmen die israelischen Verbände die Aufhebung der Befehle zum Vorrücken in den israelischen Sektor der Friedenszone zur Kenntnis und wandten ihre Aufmerksamkeit wieder dem Erbfeind zu.
    Und auf 34° Ost zog General William Tate die Bilanz der Verluste.
    Allein stand er in der Dämmerung an der Ecke der Lazarettbaracke. Deborah Zadoks Leiche, in eine weißblaue Flagge gehüllt, war von dem
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