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34° Ost

Titel: 34° Ost
Autoren: Coppel Alfred
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Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte. Und wenn dies nun seinen Sturz bedeutete, dann verdiente er gewiß nicht, dass es zu einem Schauspiel für seine Gegner wurde.
    Aus dem Ü-Wagen tönte die unsichere Stimme Fowler Beals. Bailey und Colonel Seidel hatten sofort das Fahrzeug bestiegen, um eine Bandaufnahme jener Erklärung abzuhören, die in dem Moment, als die Marines das Kloster angriffen, in die ganze Welt übertragen wurde.
    »… ich habe die Streitkräfte angewiesen, diesem Angriff so zu begegnen …
    Genau betrachtet, haben wir alle seit jenem Tag des Jahres 1945, als sowjetische und amerikanische Truppen an der Elbe zusammentrafen, im Grund nichts anderes getan, dachte Tate. Der Friede war nicht leicht zu erreichen, und wer sich hohe Ziele setzte, durfte den Frieden nicht als Selbstverständlichkeit nehmen.
     … werden wir den Feind überwinden.«
    Armer Fowler Beal. Von all seinen Treubrüchen war dies der größte, begangen in vollkommener Unschuld. Seit Jahren mußten die Amerikaner immer mit der Möglichkeit rechnen, dass der Präsident und der Vizepräsident gleichzeitig ausfallen könnten. Aber in ihrer engstirnigen Befangenheit hatten es die Politiker verabsäumt, für eine solche – die schwerste – Bewährungsprobe der Nation entsprechende Vorsorge zu treffen, damit eine starke Hand das verwaiste Steuer ergreifen konnte. Vorsitzende des Repräsentantenhauses hatten möglichst lange im Amt zu bleiben und wurden kaum nach anderen Bewertungsprinzipien ausgewählt. So kam es, dass der strenge, eifernde Stuart Ainsworth das entstandene Machtvakuum mit dem Gewicht seiner dynamischen Persönlichkeit ausfüllte. Dies ging vor sich mit der Folgerichtigkeit einer Naturkatastrophe, wie Sturmflut, Erdbeben, göttliche Fügung.
    Ein sowjetischer Techniker sprach erregt auf General Ulanin ein, dessen graues Gesicht sich spannte. Er wandte sich zu Tate um: »Es gab bereits Zusammenstöße, William. Wir haben die Verbindung mit einem unserer U-Boote verloren. Eure Air Force hat einige Flugzeuge eingebüßt und eine Anzahl unserer Satelliten zerstört.«
    »Kann Marschall Morosow noch gestoppt werden? Wird der Ministerpräsident eingreifen?«
    Mit slawischem Fatalismus zuckte Ulanin die Achseln. »Was kommen muß, wird kommen, William.« Auf ein Zeichen des sowjetischen Funkoffiziers trat er zu Rostow. »Wir sind bereit, Genosse Anatolij Igorewitsch. – Aber der Krieg hat schon begonnen.«
    Bailey stieg aus dem amerikanischen Ü-Wagen und nahm seinen Platz vor der Kamera ein. »Ich bin soweit, Captain«, sagte er sehr ruhig.
    Tate und Ulanin blickten auf die Monitoren. Ein Bildschirm zeigte den leeren Innenraum des Pentagon-Tiefbunkers, auf dem anderen sah man die Moskauer Kommandozentrale. Ein sowjetischer Oberst sprach lautlos zu einer nicht sichtbaren Person. Einen Moment lang war Marschall Morosow sichtbar, der am Objektiv der TV-Kamera vorbeiging. Im Pentagon erschien General Shackleford; als er auf seinem Gerät Talcott Bailey erblickte, riß er verblüfft die Augen auf.
    »General, ich wünsche Admiral Ainsworth sofort zu sprechen«, sagte Bailey energisch.
    »Jawohl, Sir.«
    Zu Rostow sagte Bailey: »Ich werde alle weiteren Feindseligkeiten unterbinden, wenn ich Ihr Wort habe, dass die Sowjets das gleiche tun.«
    Tate staunte über den ungewohnt entschlossenen Ton von Baileys Stimme, ihr fast metallischer Klang war vertraueneinflößend.
    »Ich werde mein möglichstes versuchen«, antwortete Rostow.
    Bailey wandte sich wieder zur Kamera. Tate, der nahe beim Monitor stand, sah, dass sich der Raum des Tiefbunkers allmählich mit Personen füllte. Er erkannte den Chef des Admiralstabs und den Stabschef der Air Force.
    Plötzlich erschien Ainsworth' längliches Gesicht auf dem Schirm. Offenbar wußte er bereits von Shackleford, dass der Vizepräsident den Anschlag überlebt hatte.
    Bailey ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Admiral, hier spricht der Präsident der Vereinigten Staaten. Können Sie mich gut sehen und hören?«
    »Ich sehe Sie …«
    Quälende, kostbare Sekunden verstrichen. Schweigend wartete Bailey ab.
    »Mr. President …«, sagte Ainsworth mit Überwindung.
    »Das ist ein direkter Befehl – ein direkter Befehl des Präsidenten: Alle Feindseligkeiten sind sofort einzustellen. Und die Alarmstufe Rot ist unverzüglich aufzuheben.«
    »Sir …«
    »Tun Sie, was ich sage, Admiral.«
    Tate sah, wie Ainsworth' gefurchtes Gesicht verfiel. Nur in den Augen las man die Erkenntnis,
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