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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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gedeutet, sodass vermutlich die Rede noch nicht auf ihn gekommen war. So entschied er sich, doch lieber im Hintergrund zu bleiben.
    Die Unterhaltung dauerte zehn, fünfzehn Minuten, und auch als sie schließlich endete, Xij sich aufrichtete und respektvoll verabschiedete, gab sie Matt durch keinen Wink zu verstehen, dass er sich zeigen sollte.
    Ungeduldig erwartete er ihre Rückkehr.
    Die Blicke des Mönchs folgten Xij, bis sie für ihn hinter Büschen verschwand. Matt wandte sich ihr erst zu, als der alte Mönch seinen Blick wieder im Feuer versenkte und keine Anstalten machte, sich von seinem Platz weg zu bewegen.
    »Okay, was hast du herausgefunden?« Er zog Xij noch ein Stück tiefer ins Gesträuch.
    Er merkte sofort, dass sie zutiefst erschüttert war. Selten hatte er sie so betroffen erlebt.
    »Zunächst einmal, dass es eine kluge Entscheidung war, nicht gemeinsam zu ihm zu gehen«, sagte Xij. Auch der Klang ihrer Stimme war verändert. Irgendwie der Fähigkeit beraubt, auch nur die leiseste Zuversicht zu vermitteln. »Noch kritischer wäre es gewesen, wenn du allein zu ihm gegangen wärst.«
    »Warum? Mag er keine Kerle?«
    »Das ist nicht der Punkt. Aber da sich sein Volk im Krieg befindet, wird er in jedem westlich aussehenden Fremden einen Soldaten oder feindlichen Spion sehen, auch wenn dein Outfit nicht einer US-amerikanischen Uniform entspricht.«
    Matts Augen wurden schmal. »Krieg? Mit den USA?« Ihm schwante Böses. »Wo sind wir: Japan oder Korea?«
    »Japan«, bestätigte Xij. »Mitte des 20. Jahrhunderts«, ergänzte sie. »Genauer: 1945.«
    Matts Vorahnung wurde zu einer schlimmen Gewissheit. »Kurz vor Ende des 2. Weltkriegs?«
    Xij nickte. »Und du weißt natürlich, was 1945 hier passiert ist. Ich meine, wie deine Nation den Krieg mit Japan beendet hat.«
    Er wusste sofort, was sie meinte. Dennoch fiel ihm schwer, es auszusprechen. Nicht nur, weil es ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte seiner Nation war. »Die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki. Danach kapitulierte das Kaiserreich.« Er senkte kurz den Blick – und schreckte wieder hoch, als ihm ein weiterer Verdacht kam. Eine Gänsehaut jagte ihm über den Rücken. »Die Stadt dort unten...«
    »… ist Hiroshima«, ergänzte Xij Hamlet. »Und wenn der Alte das korrekte Datum genannt hat, schreiben wir den vierten August.«
    Alle Farbe war aus Matthews Gesicht gewichen. Wie jeder Nachkriegsamerikaner kannte er das historische Datum wie auch die Uhrzeit. »Die Bombe fiel am sechsten August, um acht Uhr fünfzehn Ortszeit«, sagte er tonlos. »In zwei Tagen bricht hier die Hölle aus! Die Hölle auf Erden!«

3.
    Es war mehr als ein bloßer Schreck. Es war ein Schock .
    Die Art von Schock, die imstande war, das Blut in den Adern zum Erkalten zu bringen und für einen endlos scheinenden Moment den Fluss der Zeit stocken zu lassen.
    Matt hatte das Gefühl, in einer Implosion zu verschwinden, während Xij ihm ein paar Minuten voraus war und die Hiobsbotschaft ganz offensichtlich bereits verdaut hatte.
    Nur allmählich kamen Matts Gedanken, die in seinem Kopf wie ein Heuschreckenschwarm herumwirbelten, wieder zur Ruhe. »Was genau hast du erfahren? Wer ist der Mann? Ein Mönch, wie vermutet?«
    Xij nickte. »Shi irgendwas. Ich konnte es mir nicht merken. Shi Kao oder so ähnlich.«
    Matt machte eine ungeduldige Geste. »Der Name dürfte nebensächlich sein. Wie hat er auf dein Erscheinen reagiert?«
    »Du hast es ja gesehen. Erst war er erschrocken, dann siegte offenbar seine Neugierde.«
    »Wollte er nicht wissen, woher du kommst und wer du bist?«
    »Doch, natürlich«, sagte Xij. »Aber dank des Translators konnte ich ihn davon überzeugen, die Tochter eines Kaufmanns aus Okayama und einer Deutschen zu sein. Deutschland und Japan sind Verbündete. Als amerikanische Spionin hat er mich sicher nicht eingestuft.«
    »Und was macht er hier?«
    »Wenn ich ihn richtig verstanden habe, gehört er einer Sekte an, die hier auf dem Berg Misen einen Tempel unterhält. Wir befinden uns auf der Insel Miyajima, zwanzig Kilometer südwestlich von Hiroshima, unmittelbar vor der Küste von Honshu. Shi Kao – oder wie er auch heißen mag – wurde für diese Nacht dazu bestimmt, die Flamme am Lodern zu halten.«
    »Wozu ist sie gut?«, fragte Matt. »Als Leuchtfeuer für Schiffe dürfte sie zu schwach sein.«
    »Sie hat religiöse Gründe und geht auf einen Mönch zurück, der als Begründer einer speziellen Form des Buddhismus gilt. Ich glaube, für den
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