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323 - Die Hölle auf Erden

323 - Die Hölle auf Erden

Titel: 323 - Die Hölle auf Erden
Autoren: Manfred Weinland
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schmiegte sich unvermittelt um die Mundwinkel des Uniformierten. »Ich merke, du verstehst mich vollkommen falsch. Ich will deiner kleinen Schwester nichts zuleide tun, im Gegenteil. Im biete dir die einmalige Chance, ihr Gutes angedeihen zu lassen.«
    »Wovon sprecht Ihr, Herr? Ich bin nur ein einfacher Shingon-Mönch. Wir leben einzig für unseren Glauben und –«
    Ariaga unterbrach ihn grob. Das falsche Lächeln fiel von ihm ab. »Ja, ja, das beteuern du und deine Brüder unentwegt. Aber ich traue euch nicht. Mir ist euer Tempel ein Dorn im Auge, verstehst du? Ich sagte es schon, wir leben in unsicheren Zeiten. Es gibt den Feind von außen und es gibt den Feind von innen. Im Daishô-in-Tempel gehen Dinge vor, in die ich keinen Einblick habe.«
    »Herr, ich versichere Euch –«
    Ariaga schnitt ihm zum wiederholten Mal das Wort ab. Jeder noch so schwache Anstrich von Höflichkeit fiel von ihm ab. »Schweig! Hör einfach nur zu, was ich dir anzubieten habe! Ich bin kein Unmensch und bereit zu glauben – wenn es die Wahrheit ist. Und damit kommen wir wieder zu deiner bedauernswerten Schwester.«
    Nicht nur die Miene des asketischen jungen Mönchs war versteinert, während er dem Generalleutnant zuhörte. Wie eine Statue saß er vor Ariaga und wartete darauf, was der höchste Soldat der Region ihm mitzuteilen hatte.
    Endlich ließ Ariaga gegenüber dem Mönch, der in einem wochenlangen Auswahlverfahren bestimmt worden war, die Katze aus dem Sack: Er sollte für das Militär Spionagedienste leisten! Kaitos Empörung dämpfte er sogleich mit der Aussicht auf die Belohnung, die ihm für seine Tätigkeit zuteilwerden sollte. Einen Lohn, den er kaum abschlagen konnte:
    »Die besten Ärzte werden sich deiner Schwester annehmen. Sie wird leben können wie ein ganz normales Mädchen. Sie wird heiraten und Kinder bekommen. Oder willst du zulassen, dass sie zeitlebens wie eine Ausgestoßene behandelt wird? Überleg es dir gut, hochgeschätzter Kaito. Ich bin ein Mann, der sein Wort zu halten pflegt. Also enttäusche mich nicht. Wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen, will ich deine Entscheidung erfahren. Bis dahin – geh in Frieden!«

1.
    Es würde niemals zur Routine werden.
    Der Wechsel von einer Welt in die nächste war jedes Mal aufs Neue ein Akt, der der Psyche – und oft genug auch dem Körper – alles abverlangte. Wieder schien es Matthew Drax, als würde sich die Welt, in die sie von dem Zeitportal geworfen wurden, gegen ihre Ankunft wehren . Kein Wunder – sie bildeten Fremdkörper in dieser Epoche und Welt.
    Sie – das waren seine Begleiterin Xij Hamlet und der Daa’mure Grao’sil’aana. Erstere eine Wiedergeborene, deren Geist schon durch Tausende Körper gegangen war, Letzterer ein Gestaltwandler, der mit einem lebenden Kometen zur Erde gelangt war. Nun, er selbst war auch nicht ungewöhnlicher als sie: ein Zeitreisender, der dank einer Tachyonenschicht für die nächsten fünfzig Jahre so gut wie nicht altern würde.
    Das Gefühl des Nichtwillkommenseins erfuhr noch eine Steigerung, als Matt aus der Anomalie des Tores heraustaumelte und sich die Ereignisse, wie so oft, augenblicklich überschlugen.
    Der ersten Erleichterung, dass er sich nicht, wie schon geschehen, übergangslos im freien Fall wiederfand, folgte die Erkenntnis, dass sie auch diesmal nicht der Gesetzmäßigkeit entrinnen konnten, die mit dem Entstehen jedes Portals einherging: einer heftigen Erschütterung des Raumzeitgefüges, die in einer Schockwelle gipfelte, die durch die Erdkruste raste.
    Der Boden, auf den er seine Füße setzte, bäumte sich auf, als wäre Matt auf dem Rücken eines bockenden Bullen gelandet, der ihn abzuschütteln versuchte. Fluchend landete er auf allen Vieren. Seine Hände tasteten in der Dunkelheit – es war tiefe Nacht um sie herum – nach Halt, fanden aber nur dürftiges Gestrüpp und damit nichts, was den steten Abwärtsdrall beenden konnte.
    Unweit ragte ein Baum auf, doch nicht nah genug, um ihn zu erreichen. Matt rutschte nur wenige Handbreit an einem ausladenden Ast vorbei.
    Doch als das Beben verebbte, fand er allmählich in den Stand zurück. Seine Augen gewöhnten sich an die Finsternis, sodass er imstande war, schwache Konturen in der Umgebung auszumachen. Über ihm glitzerten Sterne, also befand er sich im Freien.
    Und da war auch Bewegung!
    Stimmen.
    Fauchen.
    Ah, wieder alle an Bord. Die Laute stammten unverkennbar von Xij und dem Daa’muren.
    Im nächsten Moment schälten sich die Konturen
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