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322 - Götterdämmerung

322 - Götterdämmerung

Titel: 322 - Götterdämmerung
Autoren: Mia Zorn
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der breitschultrige Hüne. Dabei wog er den schweren Hammer in seinen Armen, als wolle er sich sofort aufmachen, den vermissten Kampfgefährten zu holen.
    Efstur seufzte. Ausgerechnet Bjorn. Ein erfahrener Krieger, der gemeinsam mit den Völkern im Tal über das Meer gereist war und gegen die Angeln und Sachsen gekämpft hatte, mutig und stolz. »Es erwischt immer die Tapfersten«, knurrte er leise. Gleichzeitig erfüllte ihn Genugtuung bei der Vorstellung, dass wenigstens einer seiner Männer genug Mumm in den Knochen hatte, sich den Angreifern zu stellen. »Wir werden nicht weichen. Wir werden unseren Bruder rächen, bis in den Tod!« Damit stieß er sein Schwert vor sich in den Boden und legte beide Hände auf den Totenkopfknauf.
    Der Gedanke, vielleicht noch heute mit Bjorn an Odins Tafel sitzen zu können, beflügelte den Häuptling. Grimmig entschlossen starrte er zur Mündung. Lange Zeit geschah nichts. Weder aus dem Versteck seiner Krieger noch von dem Felsenpfad war ein Laut zu hören. Die aufgetriebenen Schneewolken hatten sich inzwischen gelegt und vom Himmel rieselten friedlich dicke Flocken.
    Hatten sich die Diener der Midgardschlange zurückgezogen? Oder wollten sie die Männer aus Jotunheimen in einen Hinterhalt locken? Als Efstur schon glaubte, selbst nach dem Rechten sehen zu müssen, ertönten plötzlich merkwürdige Geräusche.
    Erst nur ein Scharren, als würde jemand etwas durch den Schnee schleifen. Dann deutliches Schnaufen. Schließlich tauchten die Umrisse eines riesigen Wolfes bei der Mündung des Felsenpfades auf. Es war der größte Wolf, den der Wikingerführer je gesehen hatte. Auf gewaltigen Pfoten näherte er sich der Hochebene. Mit Augen, die wie gelbe Flammen glühten, und das Fell so weiß, dass es sich kaum vom Schnee abhob. Bjorns Mantelkragen zwischen den dolchlangen Reißzähnen, schleifte er den leblosen Körper des Kriegers durch den Harsch.
    Als er die Männer beim Findling entdeckte, stieg ein dunkles Grollen aus seinem Maul. Mit einer einzigen Bewegung seines mächtigen Schädels schleuderte er Bjorn auf das Plateau. Während der Körper des Kampfgefährten einen Steinwurf vor Efstur und seinen Männern im Schnee aufschlug, löste sich ein vernehmliches Stöhnen aus Bjorns Kehle. »Er lebt noch«, hörte Efstur seinen Sohn neben sich erleichtert flüstern.
    Dass der vermeintliche Götterwolf den Krieger am Leben gelassen hatte, überraschte den Wikingerführer. Er war bekannt dafür, nichts von seinen Opfern übrig zu lassen. Argwöhnisch beäugte er das Untier. War das wirklich Fenrir?
    Als könnte das Untier seine Gedanken lesen, fletschte es plötzlich knurrend die Zähne. Dann warf es den Schädel in den Nacken und stimmte ein schauerliches Geheul an, das von den Felsen widerhallte. Entsetzt beobachtete der Wikingerführer, wie die Hunde jaulend aufsprangen. Mit eingezogener Rute und angelegten Ohren flüchteten sie über den Rand des Plateaus.
    Neben Efstur warf sich Hamskarpur schützend über den verletzten Bjorn und der Hüne Snorri ließ den Hammer sinken. Und als wäre das alles nicht genug, erschallte aus den Felsen oberhalb des Häuptlings nun auch noch das Greinen des Zwerges: »Glymjandi war brav. Hat alles richtig gemacht.«
    Schlagartig verstummte das Geheul des Wolfes. Als ob er überlegen würde, glitt sein Blick abwechselnd von den Felsen zu den Männern beim Findling. Dann senkte er knurrend den Schädel und griff an.
    Während er mit gewaltigen Sätzen herbei sprang, riss Efstur sein Schwert aus dem Schnee. »Schießt«, brüllte er. »Schießt!« Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Schützen aus den Felsnischen schnellten. Pfeile schwirrten durch die Luft. Doch die meisten verfehlten ihr Ziel.
    Geschickt wich das Untier den Geschossen aus. Vollführte Zickzacksprünge und änderte unentwegt seine Position. Schließlich platzierte es sich so, dass der Häuptling und seine Gefährten in die Schusslinie gerieten. Knurrend verharrte es dort und stierte Efstur aus gelben Augen an.
    Kluger Schachzug. Doch nützen wird er dir nichts. Der Wikingerführer zählte ein halbes Dutzend Pfeile, die in Nacken und Gesäß des Wolfes steckten. Jedoch verflog sein Triumph, als er sah, dass dort, wo die giftgetränkten Pfeilspitzen in den Leib des Riesenwolfes eingedrungen waren, kleine Dampfwolken hervor zischten. Wie von Geisterhand schlossen sich die vermeintlichen Wunden und die Pfeile fielen wie gebrochene Zweige in den Schnee.
    Kein Zweifel, das war der
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