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32 - Der Blaurote Methusalem

32 - Der Blaurote Methusalem

Titel: 32 - Der Blaurote Methusalem
Autoren: Karl May
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keine Zeit, es dir zu erklären, denn morgen früh geht es mit dem ersten Zug fort, zunächst nach der Residenz, der Gesandtschaft wegen. Jetzt muß ich zum Bankier, zur Polizei und in hundert Läden, um tausend notwendige Sachen einzukaufen. Richard fährt auch mit, und – – –“
    „Rich – – –!“ unterbrach ihn der Wichsier, brachte aber vor Erstaunen nur die erste Silbe dieses Namens über die Lippen.
    „Ja! Er ist es ja, um dessentwillen die Reise überhaupt unternommen wird. Wenn ich nicht so sehr eile, daß wir morgen bereits über alle Berge sind, wird aus dieser famosen Reise gar nichts. Ich habe seine Mutter förmlich überrumpelt, und wir müssen reisen, bevor sie sich anders besinnen kann.“
    Er eilte fort.
    Gottfried schüttelte den Kopf, kratzte sich mit beiden Händen hinter den Ohren, richtete seinen Blick auf einen großen chinesischen Laternendrachen, welcher an der Decke hing, und sagte: „Da hängst du nun, altes Jötzenbild, und kuckst mich höhnisch ins Jesicht! Dir hab' ich nie so recht jetraut. Deine Ehrbarkeit und Moralität ist mich immer ein bißchen problematisch vorjekommen! Wat willst du sind? Tao-lung willst du jenannt sind, wat soviel heißt, wie Drache der Vernunft? Ich sage dir, daß du höchst unvernünftig bist! Seit du hier unsern Zenit jepachtet hast, ist bei uns China und der Teufel losjewesen. Ich habe dir sogar im Verdacht, daß du um Mitternacht als Jespenst und Jeisterspuk hier umherfliegst. Du erscheinst dem Methusalem im Traum; du hast es ihm anjetan und ihm sogar den Jedanken einjeblasen, die traute Heimat zu verlassen, um am Strand des gelben Meeres bei die halben Antipoden jebratene Regenwürmer, jeschmorte Tausendfüße, jebackenen Seetang, marinierte Salamander und jekochte Rattenschwänze zu verspeisen. Schäme dir! Aber du sollst dir doch nicht rühmen können, ihn ins Verderben jeführt zu haben. Ich werde ihn begleiten als sein Morjen- und sein Abendstern. Wir werden siegreich gegen deine Vettern und Basen kämpfen, gegen Drachen, Molche und Chinesen, und wenn wir wiederkehren, so hängen wir sie hier als Trophäen auf, um dir zu ärjern, so wie du mir jeärjert hast. Ich verachte dir!“
    Er ging mit einer theatralischen Gebärde ab, um sich bei der Wirtin zu erkundigen, wie sein Herr auf den Gedanken gekommen sei, nach China zu gehen.
    Inzwischen war der ‚Methusalem‘ gar nicht weit gekommen. An der Ladentür des Chinesen hatte er sich besonnen, daß er diesem noch sagen müsse, daß der Brief an die richtige Adresse gelangt sei. Darum trat er bei ihm ein.
    „Nun?“ fragte der Sohn der Mitte. „Sie bringen den Brief nicht wieder?“
    „Nein. Meine Wirtin ist die Adressatin. Sie brauchen sich also nicht weiter zu bemühen. Aber, bitte, wie ist er in Ihre Hände gekommen?“
    „Durch meinen Lieferanten in Kuang-tschéu-fu (Kanton), bei dem er für mich abgegeben wurde.“
    „Hat dieser Herr Ihnen mitgeteilt, wer der Absender ist?“
    „Nein. Er hat mir die Weisung gegeben, den Adressaten oder dessen Erben hier ausfindig zu machen, ihnen den Brief zu übermitteln und dafür zu sorgen, daß sie sofort antworten. Die Stelle, an welche die Antwort zu richten ist, sei in dem Brief angegeben.“
    „Das stimmt. Aber es ist beschlossen worden, keine briefliche Antwort zu erteilen. Wir reisen selbst hin, nämlich Richard Stein, ich und mein Gottfried von der Oboe.“
    Jetzt war es an dem Chinesen, zu erstaunen. Er erging sich in den fremdartigsten Ausrufewörtern, wobei er die Hände mit weit ausgespreizten Fingern gen Himmel hielt und dabei den Kopf von einer Seite auf die andre warf, so daß sein Kopf wie ein Perpendikel abwechselnd herüber und hinüber flog.
    „Sie selbst, Sie wollen nach Tschung-kuo, dem Reich der Mitte, nach Tschung-hoa, der Blume der Mitte!“ rief er aus. „Sie werden Tien-tschao, das himmlische Reich, sehen! Sie gehen nach Ki-tien-teh, dem Hause der himmlischen Tugenden, nach Schan-hoang-ti, dem Berg des erhabenen Herrschers! Wie ist das gekommen? Wodurch wurden Sie auf diesen Gedanken gebracht?“
    „Durch die Teilnahme, welche ich für die Familie meiner braven Wirtin und insbesondere für Richard hege. Um es Ihnen kurz zu sagen, hat der verstorbene Volksschullehrer Stein einen Bruder gehabt, welcher in seiner Jugend, getrieben von seiner Lust zu Abenteuern, in die weite Welt gegangen ist. Er ist lange Zeit erst in Süd- und dann in Nordamerika gewesen, ohne es zu etwas Sonderlichem zu bringen. Später wollte er
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