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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom
Autoren: Ronald M. Hahn
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ab.
    »Zum Glück hatte ich ein Dutzend gespannte Schnapper zwischen meinen Waren verborgen.« Lot kramte auf der Ladefläche seines Fuhrwerks und zog eine mechanische Falle aus einem Sack. Sie war zugeschnappt und blutig. Als er sie schüttelte, fielen Langfingers Finger auf den Boden, und die gaffende Menge wich aufstöhnend zurück. »Ein neues technisches Wunderwerk der berühmten Schmiede aus Hebron, die ich jedem zu erwerben empfehle, der seinen Besitzstand wahren möchte!«, pries Lot gleich an Ort und Stelle seine Ware an.
    Die Menschenmenge hatte jedoch nur Augen für die Fremden, die Lot beigestanden hatten. Man warf ihnen neugierige Blicke zu – nicht zuletzt wegen ihrer hellen Haare.
    Beim Anblick der metallenen Schnapper empfand Melchior ein leises Grauen. Damit niemand seinen Gemütszustand bemerkte, befahl er seinen Männern, die Halunken in den Kerker zu verfrachten und einen Medikus für Langfingers kastrierte Hand zu bestellen. »Dreißig Tage Brot und Wasser im tiefsten und dunkelsten Loch für die Frechheit, auf der Schwelle der Stadt König Orloks brave Bürger auszurauben und anzugreifen!«
    »Lang lebe der König«, sagte Lot und nickte zustimmend. Das Volk murmelte. Xij und seine Begleiter verzogen keine Miene.
    Melchior wies seine Männer an, die Wartenden zügig abzufertigen, dann wandte er sich wieder Xij zu, der inzwischen mit Lot und seinen Begleitern ein Grüppchen bildete. Lot bedankte sich bei den Dreien: Er umarmte sie und drückte sie an sich, und hätten die Torwachen ihn nicht aufgefordert, die Einfahrt in die Stadt nicht länger zu blockieren, hätte er die Fremden sicher auch noch mit nach Hause genommen, um sie seiner Familie vorzustellen. »Ich danke euch für die Hilfe«, sagte er. »Wenn ihr einmal die meinige benötigt, lasst es mich wissen.«
    Melchior gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er sich trollen solle. Lot wusste natürlich, wie rigoros er werden konnte, wenn man ihn in seinen Interessen behinderte. Und worin seine momentanen Interessen bestanden, hätte ein Blinder gesehen.
    Melchior winkte Xij durch die Kontrolle. Sein Oheim und der Knecht wollten ihm folgen, doch Melchior hob eine Hand. Dass die Männer sofort verstanden und innehielten, kündete von ihrer Intelligenz. Weniger gefiel ihm jedoch Maddrax’ Gesichtsausdruck. Konnte es sein, dass er Ansprüche auf Xij stellte? Dabei wirkte er gar nicht wie jemand, der dem eigenen Geschlecht zugetan war...
    Melchior führte Xij zum Wachlokal. »Ich muss sagen, euer spontaner Einsatz zugunsten des Kaufmanns hat mich sehr für euch eingenommen«, begann er die Konversation. »Männer wie euch kann die königliche Garde gut gebrauchen.« Er griff in eine Tasche seines kunstvoll bestickten Wamses, entnahm ihm ein Beutelchen und schüttelte es vor Xijs Ohr. Der Münzenklang war unüberhörbar. »Dieses Handgeld zahlt die königliche Schatzkammer normalerweise für ein Dutzend Söldner. Doch angesichts eures Einsatzes bin ich bereit, euch dreien dieses Sümmchen zu überlassen, wenn ihr euch unserem König verpflichten wollt.«
    »Nuuun...«, sagte Xij.
    Melchior sah, dass es hinter der Stirn des Jungen arbeitete. War er vielleicht nicht frei in seinen Entscheidungen, weil er Maddrax verpflichtet war?
    »Zudem«, fuhr er einschmeichelnd fort, »könnte ich dir das Privileg eines Quartiers in meinem bescheidenen Heim anbieten.« Er räusperte sich. »Ich brauche wohl nicht darauf hinzuweisen, dass sich das Heim eines Hauptmanns von dem eines Gardisten wesentlich unterscheidet: Unter anderem verfügt es über ein marmornes Bad – und über Personal, das sich auch um deine Wünsche kümmern kann.«
    »Abgemacht«, sagte Xij. Seine schmale Hand entriss Melchior das Beutelchen und ließ es unter seinem schäbigen Mantel verschwinden. Seine Gerissenheit gefiel Melchior. Er war bestimmt für jedes lüsterne Spiel zu haben.
    »Erlaubst du mir, dass ich meine Gefährten über unser Abkommen unterrichte, Hauptmann?« Xij deutete über seine Schulter zurück.
    »Gewiss.« Melchior rieb sich die Hände und wies seine Männer an, Maddrax und Grao bevorzugt abzufertigen.
    Die Gardisten ließen die Fremdlinge durch, was Gemurre unter den Wartenden auslöste, die vor ihnen in der Schlange standen. Um den Pöbel in seine Schranken zu weisen, ließ Melchior seine Peitsche auf einige Rücken und Arme klatschen. Die Leute wichen zurück.
    Währenddessen redete Xij ein Stück abseits auf seine verdutzt dreinschauenden Begleiter ein.
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