Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
306 - Ein Hort des Wissens

306 - Ein Hort des Wissens

Titel: 306 - Ein Hort des Wissens
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
tiefliegenden Rotaugen an und machte ganz den Eindruck eines Mannes, den man aus einem schweren Traum aufgeschreckt hatte. Eine Zeitlang sahen die Männer einander in die Augen, und keiner sprach ein Wort. Schließlich schloss Rulfan seinen Vater in die Arme und drückte ihn an sich. »Und ich will, dass meine Kinder ihren Großvater kennenlernen, ist das klar?« Seine Stimme brach. »Und eines wartet in Canduly Castle auf dich und mich. Mein Kind und dein Enkel.«
    Hinter ihnen dröhnte wieder die Trommelfell zerfetzende Pressluftfanfare. Diesmal, weil Meinhart mit seinem Schlepper aufgeschlossen hatte und weiter wollte. Rulfan küsste seinen Vater auf Schläfen und Stirn, gab ihn frei und legte einen Gang ein. Der Jeep rollte wieder an.
    »Lass uns nach vorn blicken, Vater, bitte!« Der Jeep rollte den Hügel hinunter. »Wir leben noch und haben eine Zukunft zu gestalten. Du und ich gemeinsam. Einverstanden?«
    ***
    Die Wagenräder quietschten und knarrten, die Wagensklaven ächzten, Peitschen knallten, Männer bellten Kommandos. Etwas mehr als dreißig Exekutoren marschierten nach Nordosten dem Gebirge entgegen. Zwei Dutzend Sklaven zogen vier Wagen mit Material, acht Horsays zwei weitere mit Waffen, Maschinen und Sattelzeug. Varmer stapfte an der Spitze des Kommandos.
    Das Gewehr baumelte an seiner Schulter, die lange Klinge hatte er sich über die Schulter gelegt. Beides hätte er genauso gut im vorderen Wagen verstauen können, doch der bärtige Hüne gehörte zu den Verrückten, die sich niemals von ihren Waffen trennten. Nicht einmal, wenn sie schliefen.
    Einen Kampfstab pflegte Varmer nicht zu benutzen. »Alte Zöpfe« nannte er diese Dinger.
    Alle vier Stunden etwa kamen zwei Männer der Vorhut zurück, um Varmer Bericht zu erstatten. Kurze Berichte waren das, und sie lauteten immer gleich: »Keine Feindberührung, kein Feind in Sicht, keine verdächtigen Spuren.«
    Varmers Bestätigung bestand meist in einem gleichmütigen Nicken. Er hieß die Männer dann jedes Mal, auf einen der Wagen zu steigen und sich auszuruhen, und schickte jedes Mal zwei frische Kundschafter zur Vorhut voraus. Die bestand aus zehn Exekutoren, die Hälfte davon abgebrühte Kämpfer und erfahrene Spurenleser.
    Die meisten Exekutoren waren ausdauernde Läufer, die locker fünfzehn Kilometer in der Stunde laufen konnten, und das häufig sieben und länger Stunden am Stück. Diese extrem gute Kondition hatte die Truppe dem extrem harten Training ihres Ex-Chefs zu verdanken.
    Alastar pflegte, seine Männer einmal in der Woche drei Runden um Glesgo rennen zu lassen; und einmal in der Woche musste jeder einen Fünfzig-Kilo-Stein den Hauptturm der Festung hinauf und hinunter schleppen, und zwar im Laufschritt.
    Varmer empfand eine gewisse Dankbarkeit Alastar gegenüber in diesen Tagen. Auch wegen des harten Trainings, sicher, doch viel mehr noch, weil sein ehemaliger Chef offensichtlich nicht daran dachte, nach Glesgo zurückzukehren. Inzwischen war es Mitte April, und mit jedem Tag, den der bärtige Hüne die Exekutoren von Glesgo kommandierte, fühlte er sich besser in seiner Position als stellvertretender Chefexekutor.
    Warum sollte er die jemals wieder hergeben? Warum sollte er sie nicht noch verbessern?
    Um die Wahrheit die Ehre zu geben: Varmer hoffte inständig, dass der, den er offiziell zu vertreten hatte, längst von ungefähr zehntausend Maden gefressen wurde. Er spielte sogar mit dem Gedanken, diesbezüglich ein wenig nachhelfen – falls diese Mahlzeit wider Erwarten noch nicht stattfinden und Alastar wieder auftauchen sollte.
    Doch erst einmal galt es, die Sachlage zu klären: War dieser Albino, dieser Rulfan, schon wieder in der Heimat gelandet? Und wenn ja – hatte er sich in seiner Burg verschanzt? Und wenn ja – versteckte Alastar sich bei ihm? Und wenn ja – was führten die beiden im Schilde? Und so weiter.
    Varmer pflegte beides sehr gründlich zu erledigen: planen und zuschlagen. Und immer in dieser Reihenfolge. Er hatte sich den Weg in die Berge aufzeichnen lassen; er hatte mit Leuten gesprochen, die dort lebten; er hatte jede einzelne Waffe persönlich geprüft, bevor sie verladen wurde; er hatte ein Geschütz, ein paar Kisten Granaten und drei Granatwerfer mitgenommen, um das Luftschiff zur Landung zu zwingen und um für besonders komplizierte Fälle gerüstet zu sein; er hatte seine besten Leute für das Kommando ausgesucht und jedem einzelnen eingeschärft, dass es diesmal nicht in erster Linie ums Töten ging;
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher