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2935 - Leichen lügen nicht

2935 - Leichen lügen nicht

Titel: 2935 - Leichen lügen nicht
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an. Genug Klamotten, um eine ganze Mädchenschule auszustatten. Das hatte ich erwartet. Aber etwas anderes war auffällig.
    Während der eine Schrank elegante und sportliche Kleidung enthielt, gehörte die Garderobe im zweiten Schrank einer völlig anderen Kategorie an. Diese Kleider waren eindeutig darauf angelegt, die Vertreter des anderen Geschlechts für ihre Trägerin zu interessieren. Man konnte sie aufreizend nennen. Oder ordinär.
    Als sie ihrem Mörder begegnete, hatte sie ein Kleid aus dem zweiten Schrank getragen.
    Phil kam herein, seine Miene war ernst.
    »Jason Cumber hat zwölf Jahre bekommen. Sein Bruder Joe war damals auch im Gerichtssaal. Als das Urteil verkündet wurde, ist er aufgesprungen und hat dem FBI blutige Rache geschworen.«
    Blut war tatsächlich geflossen. Allerdings nicht beim FBI, sondern bei Joe Cumbers Freundin.
    ***
    Durch einen Anruf im Field Office erfuhren wir die aktuelle Adresse von Joe Cumber. Er wohnte in Williamsburg, 111, Frost Street. Aber bevor wir ihm einen Besuch abstatteten, hatten wir noch eine andere unangenehme Aufgabe zu erledigen.
    Da die Identität von Nancy West erst vor wenigen Stunden aufgeklärt worden war, hatten ihre Eltern noch keine Ahnung, dass ihre Tochter einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Immerhin bestand die Aussicht, dass wir bei der Gelegenheit etwas über die näheren Lebensumstände der Toten erfahren würden.
    Zum Beispiel über ihren Besuch auf der Weihnachtsfeier des FBI.
    Das Ehepaar West wohnte in Queens in der Crescent Street. Wir nahmen den Weg über die Queensboro Bridge, legten unterwegs einen kurzen Stopp in einem Diner ein, um uns für das Folgende zu stärken, und klingelten gerade in dem Moment an der Wohnungstür, als Barbara West das Mittagessen auf den Tisch stellte.
    »FBI?«, runzelte sie ahnungsvoll die Stirn, den kupfernen Soßenlöffel in der Hand. »Es ist doch nichts mit Nancy?«
    »Vielleicht können wir das besser in der Wohnung besprechen«, schlug Phil zögernd vor.
    »Bitte«, erwiderte sie mechanisch und ging ein paar Schritte zurück. Ich schloss die Tür, und wir folgten ihr in die Küche. Ihr Mann saß bereits am Tisch, vor sich eine dampfende Schüssel Gulaschsuppe, und starrte uns mit großen Augen an.
    »Was ist passiert?«, fragte er fast ohne die Lippen zu bewegen.
    »Es tut mir leid, wir haben eine traurige Nachricht für Sie«, fing ich an. Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Nancys Mutter einen lauten Schrei ausstieß und den Soßenlöffel fallen ließ. Ihr Mann fuhr hoch und fing sie auf, bevor ihre Beine den Dienst versagten.
    »Nancy?«, brachte er mühsam über die Lippen. Ich nickte.
    »Ihre Tochter wurde vorgestern Nacht ermordet, nur wenige Meter von ihrer Wohnung entfernt.«
    Mrs West schloss die Augen. Ich half ihrem Mann, sie zum Sofa im angrenzenden Wohnzimmer zu führen. Er goss ihr ein großes Glas Cognac ein und setzte es behutsam an ihre Lippen. Als sie das Glas geleert hatte, goss er sich selbst etwas ein und kippte es in einem Schluck.
    Eine ganze Weile sagte niemand ein Wort. Dann tat der Alkohol langsam seine Wirkung. Nancys Vater war der Erste, der seine Sprache wiederfand.
    »Wie … ich meine, was genau ist passiert?«
    »Sie ist ihrem Mörder begegnet, als sie auf dem Heimweg war«, erklärte mein Partner. »Vielleicht war sie im Kino. Oder hat Freunde besucht.«
    »Und wie ist sie …«
    »Sie wurde erstochen. Unmittelbar vor der Saint Teresa’s Church.«
    »Sie war sofort tot«, ergänzte ich, weil ich wusste, dass diese Information vielen Angehörigen den Schmerz ein wenig erträglicher machte. »Ihre Tochter hat nicht gelitten.«
    Mrs West weinte leise vor sich hin. Ihr Mann reichte ihr wortlos ein Taschentuch.
    »Ich hab immer gewusst, dass es einmal so endet«, stieß er verbittert hervor. Phil und ich tauschten einen kurzen Blick.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Dieser Kerl, dieser Joe, mit dem sie zusammen war. Das war doch ein Betrüger. Ein Krimineller. Sogar im Knast hat er schon gesessen.«
    Das klang nicht nach einem harmonischen Familienleben.
    »Er war kein Umgang für sie. Und erst sein Bruder. Dieser Drogenfreak. Der war ja noch viel schlimmer.«
    »Kein Wunder, dass sie in die falschen Kreise geraten ist.«
    »Falsche Kreise?«, hakte ich ein. »Wollen Sie damit andeuten, dass Ihre Tochter Drogen konsumiert hat?«
    Mr West warf seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Wir suchen nur nach Anhaltspunkten, die uns zu ihrem Mörder führen
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