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2935 - Leichen lügen nicht

2935 - Leichen lügen nicht

Titel: 2935 - Leichen lügen nicht
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sich vor und küsste ihn auf die Wange.
    »Danke fürs Abholen, Joe«, hauchte sie. Dann glitt sie aus dem Wagen wie ein Schatten. Nur ihr Geruch blieb zurück, ein unbestimmtes Gemisch aus Veilchenduft und kalter Asche.
    Joe winkte ihr zum Abschied zu, dann verschwand Nancy West hinter einem Schleier von Schnee.
    ***
    Es war spät geworden gestern Abend. Ich hatte mir mit Freunden eine Vorstellung im National Comedy Theatre angesehen, eine urkomische Truppe aus Kroatien. Wir hatten zwar kein Wort verstanden, aber trotzdem viel gelacht. Anschließend waren wir noch in einem Club auf der Eighth Avenue gelandet und hatten etwas getrunken. Das rächte sich jetzt in Form von Kopfschmerzen und einem tauben Gefühl auf der Zunge.
    Zum Glück hatte ein praktisch veranlagter Mensch den coffee to go erfunden.
    Ein Jumbobecher dieses segensreichen Zaubertrunks stand verheißungsvoll dampfend im Getränkehalter auf dem Armaturenbrett.
    Als Phil an der gewohnten Ecke einstieg, erfüllte köstlicher Kaffeeduft das Innere des Jaguar.
    »Ist das ein neuer Service?«, grinste Phil und wollte nach dem Becher greifen. »Find ich gut.«
    Ich kam ihm knapp zuvor.
    »Nur für Nachteulen«, beschied ich ihn und ließ den glühend heißen Wachmacher durch meine Kehle fließen.
    Phil zog eine Grimasse.
    »Hast du dich wenigstens gut amüsiert?«
    »Die Jungs waren großartig. Hast du leider was verpasst.«
    Ursprünglich hatte Phil vorgehabt, sich die Vorstellung anzusehen. Dann hatte ein Cousin kurzfristig seinen Besuch angekündigt, und ihm war nichts anderes übrig geblieben als mir die Karte zu überlassen.
    Seit Tagen schon schneite es im Big Apple. Aber weil die Temperatur am Boden tagsüber nicht kalt genug war, blieb der Schnee nicht lange liegen, sondern verwandelte sich schon bald in klumpigen Matsch – vermischt mit dem Dreck der Straße und den Rußablagerungen aus den Auspuffrohren eine echte Augenweide auf glänzendem Autolack. Als ich den Jaguar auf meinem Parkplatz in der Tiefgarage des FBI-Building abstellte, sah ich ein, dass ein Besuch in einer Waschanlage dringend nötig war.
    Wegen eines Entführungsfalls in West Orange waren wir einige Tage nicht im Büro gewesen. Der Eingangskorb quoll über, und das Postfach im PC enthielt 167 E-Mails. Geduldig machte ich mich an die Arbeit, eine nach der anderen zu öffnen und auf ihre Dringlichkeit zu prüfen.
    Plötzlich meldete sich mein Partner, der ebenfalls dabei war, sein elektronisches Postfach zu checken.
    »Erinnerst du dich an den Fall mit den gefälschten Bildern?«
    »Dunkel. Was ist damit?«
    »Sie haben den Fälscher endlich verknackt. Nicht mal sein teurer Anwalt konnte ihm am Ende helfen.«
    »Dann haben wir offenbar ein paar Dinge richtig gemacht«, konstatierte ich zufrieden.
    Es war immer ein gutes Gefühl, wenn die Arbeit, der man Tag für Tag nachging, belohnt wurde. Jeder braucht solche Erfolgserlebnisse. In unserem Job kam es leider viel zu oft vor, dass wir monatelang an einem Fall arbeiteten, recherchierten, observierten und Beweise sicherten, um dann zu erleben, dass ein gerissener Anwalt vor Gericht die gesamte Beweisführung zerpflückte und der Verbrecher als freier Mann nach Hause gehen durfte.
    Dann war die ganze Arbeit umsonst gewesen. In solchen Momenten verfluchte man seinen Job. Umso erfreulicher waren Erfolgsmeldungen wie die, die mein Partner soeben verkündet hatte.
    Er wollte gerade raus auf den Flur, um sich einen Kaffee aus dem Automaten zu ziehen, als mein Telefon klingelte.
    »Es ist Helen«, erkannte ich beim Blick aufs Display. Ich nahm das Gespräch an.
    »Schön, dass ihr wieder im Lande seid, Jerry. Der Chef hat Sehnsucht nach euch.«
    »Dann will ich ihn nicht länger warten lassen.«
    Ich erhob mich und nickte meinem Partner zu.
    »Vergiss den Automat. Du bekommst was Besseres.«
    Zum ersten Mal an diesem Tag sah Phil richtig glücklich aus.
    ***
    Wir waren nicht die einzigen Besucher. Als wir das Büro von Mr High betraten, erhob er sich und stellte uns vor.
    »Jerry, Phil – das ist Detective Lieutenant Tom Brown vom NYPD. – Special Agent Cotton und Special Agent Decker.«
    »Agents.« Der Lieutenant deutete eine knappe Verbeugung an. Er war um die fünfzig, hatte eine hohe Stirn und verblüffend große Ohren. Tom Brown war mir auf Anhieb sympathisch.
    Wir setzten uns, und Mr High erteilte dem Lieutenant das Wort.
    »Vor zwei Tagen ist vor der Saint Teresa’s Church an der Ecke Henry und Rutgers eine Frau ermordet worden.
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