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2935 - Leichen lügen nicht

2935 - Leichen lügen nicht

Titel: 2935 - Leichen lügen nicht
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könnten«, sagte ich schnell.
    Nancys Vater entspannte sich sichtlich.
    »Sicher waren wir uns nicht, aber manchmal hatten wir den Eindruck, dass sie nicht sie selbst war«, versuchte er zu erklären.
    »Nancy war dann ganz aufgekratzt«, erinnerte sich seine Frau. »Besonders wenn sie aus dem Studio kam. Richtig albern konnte sie dann sein. Wie ein kleines Mädchen.«
    Sie schien unsere Verwirrung zu bemerken.
    »Nancy wollte ein Star werden«, sagte sie stolz. »Sie machte schon Probeaufnahmen. Der Produzent war ganz vernarrt in sie. Das hat er uns selbst gesagt, als er sie mal hier abgesetzt hat.«
    »Strebte Ihre Tochter eine Gesangskarriere an?«, erkundigte sich Phil.
    »Nancy wollte Schauspielerin werden«, belehrte ihn Mrs West herablassend. »Sie hatte mehr Talent als die junge Marylin Monroe. Das haben alle im Studio gesagt. Besonders ihr Produzent, Sam Sullivan.«
    Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie derartige Komplimente über ihre Tochter nie mehr hören würde, und sie wurde von einem neuen Weinkrampf geschüttelt.
    »Was für ein Typ ist dieser Sam Sullivan? Haben Sie ihn einmal persönlich kennengelernt?«, wandte ich mich an Mr West. Er schüttelte den Kopf und schenkte sich noch einen Cognac ein.
    »Leider nicht. Sein Vater hat ein Vermögen mit Airbags gemacht. Als er vor fünf Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam, hat Sam sein Erbe in ein TV-Studio in Sunnyside Gardens gesteckt. Er dreht Werbefilme und Musikclips. Nancy hat erzählt, dass er sie in einem Videoclip für Kendrick Lamar unterbringen will. Das ist irgend so ein Rapper von der Ostküste.«
    Phil musterte Nancys Vater nachdenklich.
    »Hatte Joe Cumber kein Problem damit, dass Ihre Tochter mit diesem Millionärssöhnchen zusammenarbeitete?«, fragte er skeptisch.
    »Und ob!« Das kam wie aus der Pistole geschossen, als hätte Nancys Vater auf diese Frage gewartet. »Joe hasste den Kerl. ›Wenn er dich anpackt, bring ich ihn um‹, hat er zu Nancy gesagt. ›Und danach bist du dran!‹«
    Er schluckte, als ihm klar wurde, dass Joe Cumbers Drohung nach Nancys gewaltsamem Tod eine brisante Aktualität bekommen hatte. Seine Augen wurden schmal und zuckten zwei-, dreimal, als wäre ihm eine kleine Fliege unters Lid geraten.
    »Wenn er unsere Nancy auf dem Gewissen hat, knipse ich ihm die Lampe aus!«, zischte er. »Das schwöre ich – so wahr ich Carl Zachary West heiße!«
    ***
    »Glaubst du, dass Joe Cumber seine Freundin umgebracht hat?«
    Wir hatten Nancys Eltern mit ihrem Kummer und der köstlich duftenden Gulaschsuppe allein gelassen und waren auf dem Weg nach Brooklyn. Obwohl es noch früh am Nachmittag war, stand die Sonne schon tief und würde bereits in knapp zwei Stunden hinter der Skyline von Manhattan verschwunden sein.
    »Die Frage beantworte ich dir, wenn wir mit ihm gesprochen haben«, gab Phil zurück. »Aber ausschließen würde ich es nicht.«
    »Scheint ein Hitzkopf zu sein, der erst handelt, bevor er denkt. Solche Leute sind unberechenbar.«
    »Es könnte aber auch dieses Millionärssöhnchen gewesen sein«, gab mein Partner zu bedenken. »Vielleicht war er eifersüchtig auf Cumber. Typen wie er sind gewöhnt, alles zu bekommen, was sie wollen. Wenn nicht, nehmen sie es sich. Notfalls mit Gewalt.«
    »In dem Fall hätte er Joe Cumber beseitigen müssen und nicht das Objekt seiner Begierde.«
    »Stimmt. Aber du kennst doch die Kinder aus dem Sandkasten, die lieber ihr Spielzeug kaputt machen, als es jemand anderem zu überlassen. Nach dem Motto: Wenn ich nicht damit spielen darf, soll auch kein anderer damit spielen!«
    Den Rest der Fahrt legten wir schweigend zurück.
    ***
    Joe Cumber wohnte im Dachgeschoss eines schmalen, zweistöckigen Hauses an der Ecke Meeker Avenue. Die Schindeln an der Frontseite waren ausgebleicht und rissig, das schmiedeeiserne Geländer am Treppenaufgang war aus der Halterung gerissen und lag zwischen den Mülltonnen, von denen ein süßlicher Geruch nach verfaultem Fleisch ausging. Über allem dröhnte der Lärm des achtspurigen Brooklyn Queens Expressway.
    »Ein kuscheliges Nest«, bemerkte Phil trocken.
    Wir drückten die Eingangstür auf und bahnten uns zwischen alten Farbeimern und zerbeulten Fahrradreifen den Weg zur Treppe. Aus der Wohnung im ersten Stock drang ein Geschrei, als wären gerade Fünflinge zur Welt gekommen, untermalt von den schrillen Geigenklängen eines Barockkonzerts. Ein Hund kläffte tapfer dagegen an und kratzte verzweifelt an der Tür in dem
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