2884 - Im Netz der Spinne

wohlhabenden Verbrechensopfern keine Vorzugsbehandlung zukommen lässt.«
    Der Chef nickte.
    »Haben Sie schon einen Ermittlungsansatz, Jerry?«
    »Für mich steht fest, dass es sich um mehrere Täter handelt. Es müssen Profis sein. Beim Kidnapping von Lucy Bradshaw waren mindestens zwei Personen beteiligt. Eine davon hat den Fluchtwagen gefahren, die andere hat das Kind in das Auto gezerrt. Außerdem wurde bei der Entführung von Eric die Alarmanlage des Hauses deaktiviert. Und Samuel konnte von einem bewachten Spielplatz verschleppt werden. Alle drei Kinder besuchen die Vorschule Clever Kids . Die Täter müssen die Verhältnisse dort sehr gut kennen, sonst wären diese Verbrechen nicht so reibungslos verlaufen. Nur der Schuss auf das Kindermädchen passt nicht in dieses Bild.«
    »Allerdings fragen wir uns, warum noch keine Lösegeldforderungen gestellt wurden«, ergänzte Phil. »Diese Tatsache spricht leider für einen oder mehrere Sexualstraftäter. – Bisher haben wir nur einen konkreten Hinweis auf einen Verbrecher, der vor Jahren Lucys Mutter belästigt hat. Der Mann heißt Jack Harlan.«
    »Dann konzentrieren Sie sich zunächst auf Jack Harlan, Jerry und Phil. Ansonsten schließen Sie sich bitte mit Laura Darro kurz.«
    Ich nickte, Mr Highs Vorschlag konnte uns entscheidend weiterbringen. Laura Darro arbeitet beim FBI New York im Innendienst. Sie ist nicht nur sehr hübsch, sondern auch eine hochintelligente Profilerin. Mit ihren Einschätzungen zum Charakter von Straftätern hatte sie uns schon oft wertvolle Hinweise geben können.
    Während wir noch beim Chef saßen, erhielt Mr High einen Anruf vom NYPD. Die Sofortfahndung nach Lucys Entführern war ergebnislos verlaufen. Die Cops hatten lediglich einen schwarzen Lincoln Navigator sichergestellt, in dem sich einige lange blonde Haare fanden. Ob sie von dem Kind stammten, würde ein DNA-Abgleich zeigen. Zum Glück gab es keine Hinweise auf Gewaltanwendung. Offenbar hatten die Täter das Fahrzeug gewechselt. Wie sich später herausstellte, war der Lincoln Navigator wenige Stunden zuvor in Queens gestohlen worden.
    Natürlich sollte das Fahrzeug von den Spezialisten der SRD genauer untersucht werden. Aber darauf konnten wir nicht warten. Ich wollte mir nun zunächst den Stalker Jack Harlan zur Brust nehmen, nachdem wir Laura Darro nach ihrer Meinung gefragt hatten.
    Phil und ich kehrten kurzzeitig in unser Office zurück. Mein Freund rief die Profilerin an, die wenige Minuten später zu uns herüberkam. In der Zwischenzeit hatte ich das Foto von Lucy Bradshaw eingescannt und auf elektronischem Weg verteilt. Im Handumdrehen bekam jeder G-man und jeder Cop in New York City das Bild des entführten Kindes. Die Kidnapper mochten Profis sein, aber unsichtbar machen konnten sie sich nicht.
    Die zierliche brünette Laura Darro hörte sich konzentriert die wenigen Fakten an, die wir bisher zu bieten hatten. Außerdem betrachtete sie nachdenklich die inzwischen drei Kinderfotos, die wir auf Stellwänden in unserem Office befestigt hatten. Auch die Namen der Angehörigen und das Verhältnis der Personen zueinander hatten wir schon dort aufgeschrieben. Aber es fehlten uns noch überzeugende Tatverdächtige.
    Laura Darro schüttelte den Kopf.
    »Ein Sexualverbrechen an den drei Kindern erscheint mir äußerst unwahrscheinlich.«
    »Das ist eine gute Nachricht, Laura. Aber wie kommst du zu dieser Vermutung?«
    »Sexualtäter bevorzugen meist denselben Opfertyp. Denkt nur an Jaspersen, der sich ausschließlich an rothaarigen schlanken Frauen vergangen hat. Die beiden Jungen und das kleine Mädchen sehen sich überhaupt nicht ähnlich. Die einzige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie die gleiche Vorschule besuchen.«
    »Die Eltern der Kinder sind ausnahmslos reich«, stellte ich fest.
    »Eben. Daher erscheint mir eine Erpressung viel wahrscheinlicher. Den Tätern geht es nicht um Lust, sondern um Geld. Sie sind Profis, deshalb werden sie die Kinder auch gut behandeln. Das ist jedenfalls sehr wahrscheinlich.«
    »Aber warum haben die Kidnapper sich noch nicht gemeldet?«
    »Je länger die Eltern über das Schicksal ihrer Kinder im Unklaren gelassen werden, desto größer wird ihre Bereitschaft zum Zahlen sein. Die Hysterie, die von den Medien verbreitet wird, macht es ihnen sogar noch leichter.«
    »Wir haben keine Zeit, um uns diesen Dreck anzusehen«, stieß Phil genervt hervor. Laura legte ihm beruhigend ihre schmale Hand auf den Unterarm.
    »Das kann ich verstehen,