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287 - Meister der Lüge

287 - Meister der Lüge

Titel: 287 - Meister der Lüge
Autoren: Christian Schwarz
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Die Hülle der MYRIAL II maß gute zwanzig Meter in der Länge und mehr als zwölf Meter in der Höhe. Fünfunddreißig Traggaszellen waren in dem riesigen Rumpf verteilt, auch die Elektromotoren in den Motorgondeln waren wesentlich größer ausgefallen. Sie wurden bewährterweise mit Solarstrom betrieben, den die Grätzel-Zellen lieferten. Die konnten auch diffuses Licht verarbeiten und waren so für die dunklen Wintermonate besonders geeignet. So mussten sie nur Wasserstoffflaschen bunkern, um eventuell entwichenes Gas aus den Traggaszellen zu erneuern. Der Vorrat ließ sich so auf ein Minimum begrenzen. Die Sprengstoffpakete waren außen am hinteren Ende der Passagierkanzel befestigt, sodass man sie gegebenenfalls abwerfen konnte.
    Auch die Kanzel sah ganz anders aus als beim ersten Modell. Sie war rundum geschlossen, denn die Reisenden erwartete eisige Kälte. In diesem Zusammenhang gab es weitere Neuerungen: Heizfäden in der Ballonhülle, um Schnee und Eis abtauen zu können, und einen elektrischen Heizofen in der Kabine, beides ebenfalls mit Solarenergie betrieben.
    Alastar trat neben Rulfan. Immer wieder schaute er nervös über die Schulter, hinein in die verschneiten Wälder, als warte er auf etwas ganz Bestimmtes. Seit einigen Tagen ging das nun schon so. Das hätte der Albino bei dem ansonsten so gelassen wirkenden Mann gar nicht vermutet.
    Am nächsten Tag ging es los. Rulfan hatte in den letzten Wochen erwartungsgemäß fürchterliche Kämpfe mit Myrial gehabt, sich letztendlich aber durchgesetzt. Sein Hauptargument war, dass er die Reise immerhin in erster Linie für sein Kind und dessen Mutter unternehme, wenn sie in naher Zukunft nicht von einer neuen Schattenarmee bedroht werden wollten, die ganz Euree überrannte. Es ging um eine glückliche Zukunft mit seiner Familie. Und dieses Argument konnte selbst Myrial nicht entkräften, auch wenn es nun sicher war, dass ihr gemeinsames Kind ohne Beisein des Vaters geboren würde.
    Es schneite leicht an diesem Morgen. Rulfan schaltete die Heizdrähte ein. Kurz darauf rutschte der Schnee, der sich über Nacht einen halben Meter hoch auf die Hülle getürmt hatte, in Lawinen nach unten und donnerte zu Boden. Rulfan erwärmte auch das Traggas und warf die Elektromotoren an. Danach verabschiedete er sich persönlich von jedem einzelnen Burgbewohner und drückte Myrial, die gar nicht mehr mit dem Weinen aufhören konnte, fest an sich. Zärtlich streichelte er ihr noch einmal über den Bauch.
    Dann bestieg er die Kanzel. Alastar stand schon dort und starrte durch die rundum laufenden Hartplastikscheiben in das Schneetreiben hinaus. Rulfan setzte sich auf den Pilotensitz und legte einen absolut sauberen Start hin.
    Der Albino lenkte die MYRIAL II nach Südosten zur Kanalküste. Von Matt wussten sie, dass das abstürzende Raumschiff in West-Ost-Richtung geflogen war; sie mussten seine Bahn also irgendwann kreuzen und anhand der Sichtungen den genauen weiteren Kurs bestimmen können.
    Immer wieder landeten sie und fragten in kleinen Dörfern und bei Bauerngehöften nach. Manchmal hatten sie erst beim vierten oder fünften Versuch Glück, aber es gab doch immer wieder Menschen, die den »Palast der Götter« über den Himmel hatten ziehen sehen.
    Über eine Woche waren sie unterwegs, bis sie Ende Dezember an der Ostseeküste oberhalb von Stralsund tatsächlich erst auf die Spuren des Radpanzers und schließlich auf Matt, Aruula und Xij stießen…
    ***
    Gegenwart, Anfang Januar 2527
    Alastar seufzte, nicht zum ersten Mal. Konnte das Luftschiff nicht schneller fliegen? Die weiße Landschaft unter ihnen schien im Snäkkentempo vorbeizukriechen. Er begann sich zu langweilen.
    Um sich zu beschäftigen, wanderten seine Gedanken zu dem Radpanzer, den Drax PROTO nannte. Dieses Stahlmonster war ein unglaubliches Ding, ein Symbol der Macht, unbesiegbar. Am liebsten hätte er den Panzer mitgenommen, um Agartha zu erobern, aber das war schlicht unmöglich gewesen. Die Traglast des Zeppelins reichte gerade aus, um fünf Personen, den Proviant und den Sprengstoff zu transportieren. Zusätzliche achtzehn Tonnen Gewicht waren da illusorisch. Und die Reise mit dem Panzer anzutreten hätte sie um gute vier, fünf Monate verlängert.
    Momentan stand PROTO gut versteckt in einer Ruine in Reinkenhaag. Drax hatte den Panzer einfach mitten in das verlassene Gebäude hineinfahren, das über ihm zusammengestürzt war. Die anderen hatten dann so viel Schutt beiseite geräumt, bis er durch die
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