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282 - Der Schein trügt

282 - Der Schein trügt

Titel: 282 - Der Schein trügt
Autoren: Christian Schwarz
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Jahre auf die Insel hatten sie die Bewohner Sainpeerts nur selten von ihrer überragenden Heilkunst profitieren lassen. Die Technos, wie sich die damaligen Neuankömmlinge nannten, blieben lieber unter sich. Dann waren sie in ihrem Dorf von einem so seltsamen wie unheimlichen Phänomen heimgesucht worden, das sie für fast ein Jahr(von September 2525 bis August 2526) versteinert hatte. Sampson wusste immer noch nicht so recht, was er davon halten sollte. Seit sie dann plötzlich und unerwartet ins Leben zurückgekehrt waren, lebten sie mit und unter der Stadtbevölkerung.
    ***
    »Weißt du eigentlich, was es mit Kalois täglichen Besuchen bei Gundar tatsächlich auf sich hat?«, fragte Eve Neuf-Deville später, als alle Patienten versorgt waren und die Frauen die täglich anfallende Laborarbeit erledigten. Sie machten Sampsons Spleen, sich von Gott und der Welt als »Kaloi« anreden zu lassen, gerne mit; manchmal mussten sie sogar bereits ernsthaft überlegen, wie er richtig hieß.
    Sarah Kucholsky löste den Blick vom Okular des Mikroskops, unter dem sie gerade das Blutbild einer krebskranken Frau analysierte. »Wie meinst du das?«
    Eve lächelte. »Unser Kaloi geht mitnichten jeden Nachmittag zu Gundar, mit dem er allerdings tatsächlich verwandt ist. Ich sage nur: Amore.«
    Die einstige Biogenetikerin aus Salisbury runzelte die Stirn. »Du meinst, Kaloi hat eine Affäre?«
    »So ist es. Die Besprechungen mit Gundar sind nur vorgeschoben. Stattdessen schaut er jeden Mittag heimlich bei Liisbet vorbei, der Frau von Ben dem Schrecklichen.«
    »Was denn, etwa die Dicke, die bei der Lordkanzler-Parade neulich gleich zwei Plätze gebraucht hat?«
    »Genau die. Kaloi scheint schwer in sie verschossen zu sein. Aber er hat Angst vor dem gehörnten Ehemann, deswegen hält er die Affäre streng geheim - so geheim, dass es bereits jeder weiß, außer Ben dem Schrecklichen natürlich.«
    Sarah Kucholsky tropfte mit einer Pipette ein paar Tropen Chemikalien in ein Reagenzglas mit einer Blutprobe. »Das wage ich zu bezweifeln.«
    Nun horchte Eve Neuf-Deville auf. »Weißt du etwas, das ich nicht weiß? Lass hören.«
    »Vor einigen Tagen, als ich alleine in der Praxis war, kam Ben der Schreckliche hier vorbei, um sich untersuchen zu lassen.«
    »Was fehlt ihm denn?«
    »Die Potenz«, sagte Sarah Kucholsky trocken. »Er hat mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, dass schon lange nichts mehr läuft, wenn er zu seiner Liisbet ins Bett steigen muss. Deswegen ist er froh, dass sie einen anderen gefunden hat und ihn seitdem in Ruhe lässt. Er hat sogar extra die Mittagsparade eingeführt, damit Liisbet sich ungestört mit Kaloi treffen kann.«
    Eve stützte ihr Kinn nun in beide Hände. »Das ist gut zu wissen«, sagte sie und fühlte einen Schauer der Erregung über ihren Rücken laufen. »Vielleicht können wir die Information für den großen Plan nutzen.«
    »Aber wir müssen uns vor Ben vorsehen, sonst nimmt er uns beide auseinander«, gab die Kucholsky zu bedenken. »Wenn es um ihre Libido geht, verstehen Männer keinen Spaß; vor allem keine mächtigen Männer.«
    ***
    Vergangenheit
    Sir Ibrahim Fahka, ein rundlicher Schwarzer in mittleren Jahren und einst Oktavian der Londoner Ingenieurskaste, sah sich noch immer verwundert um. Das schrille Geschrei der Inselfrau - wie hieß sie noch gleich? - und der Barbarin Jolii gellte in seinen Ohren, das Brüllen des Wakudabullen nervte zusätzlich. Aber es war ein Stück Normalität und half, seine schreckliche Angst vor den unheimlichen Angreifern zu ertragen.
    Die Schatten - wo sind sie geblieben? Ich sehe keinen mehr. War es eine Massenhalluzination? Und warum ist es jetzt plötzlich Abend; gerade war doch noch später Vormittag? Was stimmt hier nicht?
    Alle anderen waren mindestens so durcheinander wie er selbst und blickten mit weit aufgerissenen Augen um sich.
    Alles ist so… surreal. Wie eine Szene aus einem Theaterstück. Und noch einer, der irgendwo brüllt. Leonard?
    Eve Neuf-Deville kam langsam hinter einer Mauer hervor. Die schreckliche Behandlung der letzten Jahre durch Sir Leonard Gabriel und die Nosfera hatte sie verrückt werden lassen. Doch jetzt sah sie zu Fahkas Verwunderung… gefasst aus. Der alte, lange vermisste Glanz war in ihre Augen zurückgekehrt.
    »Was ist hier bloß los? Kannst du mir auf die Sprünge helfen, Ibrahim?«, murmelte sie.
    »Du erkennst mich wieder«, flüsterte er heiser.
    »Warum nicht? Hältst du mich für geistig
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