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275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten
Autoren: Jo Zybell
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»Aber das würde bedeuten…«
    »… dass ihr versteinert«, führte Grao'sil'aana den Satz zu Ende. Er klang begeistert. »Aber das Wesen wird stofflich und angreifbar. Ich könnte es zerschmettern, sobald ihr euer Leben gegeben habt!«
    Matt sah ihn schräg an. »Das würde dir gefallen, nicht wahr?«
    Der Daa'mure zuckte mit den Schultern; eine ganz und gar menschliche Geste, so wie auch die unschuldige Miene, die er aufsetzte. »Es wäre eine Tat echter Helden, sich für die ganze Menschheit zu opfern.«
    »Es gefällt dir«, nickte Aruula.
    Matthew Drax sah hinüber zum Schiff, dann hoch zu den Dünen. Von den Schatten war noch nichts zu sehen, aber es würde nicht allzu lange dauern, bis sie kamen - und dann wäre es zu spät, etwas gegen das Steinwesen zu unternehmen.
    Blieb ihnen tatsächlich nur diese eine Wahl?
    Ihr Leben für das aller Menschen, die in Zukunft noch sterben würden durch die Hand der Schatten?
    Eigentlich ist es nur fair , dachte er, während es ihn abwechselnd heiß und kalt durchrieselte. Wir haben mit unseren Tachyonen die Karavelle hinter uns hergelockt und sind für den Tod etlicher Unschuldiger verantwortlich. Das ist die Chance, unsere Schuld zu begleichen.
    Er merkte, dass seine Unterlippe zitterte und sein rechtes Augenlid zuckte. Nervenflattern , diagnostiziere er.
    Aruula schien ähnliche Überlegungen gewälzt zu haben wie er. Ihre Lippen waren wie gemeißelt, ihre Stimme klang wie das Knirschen von Sand. »Ich bin dazu bereit«, sagte sie. »Wenn es keinen anderen Ausweg gibt, tue ich es.«
    Matt nahm sie in die Arme. »Wir tun es gemeinsam«, hauchte er und kämpfte gleichzeitig gegen die Tränen an. Na, nun reiß dich mal zusammen! Helden heulen nicht!
    Grao stand unbeweglich neben ihnen, als wäre er selbst versteinert. Doch in seinem Echsengesicht konnten sie etwas lesen, das sie gerade von ihm nie erwartet hätten: Respekt und Bewunderung. »Ihr wollt es wirklich tun?«, fragte er.
    Matt rang sich ein schräges Grinsen ab. »Wer soll es sonst tun? Sonst sind ja keine Helden anwesend, oder?« Er stieß die Luft aus. Jetzt, da seine - ihre - Entscheidung gefallen war, konnte er wieder frei durchatmen.
    Aruula griff nach seiner Hand. »Es ist gut so«, flüsterte sie. »Ich danke dir für alles, mein Geliebter.« Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Er streichelte ihre Wange und küsste ihren nassen Scheitel. Hand in Hand liefen sie in die Brandung. Grao folgte ihnen.
    ***
    Grao'sil'aana fehlten die Worte. Wieder und wieder ließ er das Gespräch mit Mefju'drex und der Barbarin Revue passieren.
    Wollten sie tatsächlich freiwillig in den sicheren Tod gehen? Welche Logik steckte dahinter? Jedenfalls keine, die sich mit der der Daa'muren in Einklang bringen ließ. Sein Leben geben für das Wohl anderer? Den Selbsterhaltungstrieb leugnen? Unmöglich! Und doch…
    Etwas geschah in Grao'sil'aanas Hirn, er wusste keine Bezeichnung dafür. Es war, als würden seine Assoziationsketten abreißen, als würde sein Denken gegen eine Mauer prallen und kapitulieren.
    Er folgte Mefju'drex und Aruula in die Brandung. Warum waren seine Glieder auf einmal so schwer?
    Wie nannten die Menschen dieses Konzept? Menschlichkeit? Liebe? Im daa'murischen Denken gab es nichts dergleichen. Wie ausgeleert war sein Kopf auf einmal. Etwas Heißes, Salziges quoll aus seinen Augen und rann über seine schuppigen Wangen.
    Meerwasser, was sonst?
    Bevor er in die Fluten eintauchte, drehte er sich noch einmal um und sah zum Strand zurück. Auf den Dünen erschienen sieben dunkle Gestalten. Das Licht der untergehenden Sonne schien durch sie hindurch. Die Schatten waren da! Grao'sil'aana rannte los, tauchte ins Wasser. Die Zeit drängte.
    Er schwamm hinter Mefju'drex und der Barbarin her. Die beiden tauchten bereits zum Bug der Karavelle hinunter. Pfeilschnell folgte Grao'sil'aana ihnen.
    Die schräg einfallenden Sonnenstrahlen illuminierten die Umgebung. Deutlich war der Kiel des Schiffes zu sehen. Und darin der leuchtende Stein.
    Mefju'drex winkte ihm. Grao'sil'aana schloss zu den beiden auf. Das Gebilde - die gelbliche Schicht aus Bernstein, das faustgroße rote Herz im Inneren - ragte halbkugelförmig neben dem Kiel aus den halbdurchsichtigen Schiffsplanken. Seine Oberfläche mochte die Ausdehnung eines Männerkopfes haben. Dem Daa'muren wollte es fast lächerlich klein erscheinen, gemessen an der verheerenden Wirkung, die es überall dort entfalten konnte, wo seine schattenhaften Diener an Land
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