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275 - Licht und Schatten

275 - Licht und Schatten

Titel: 275 - Licht und Schatten
Autoren: Jo Zybell
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Meer der Sterne zu setzen. Wenn es lange genug dauert, werde ich freikommen, noch bevor es ihnen gelingt. Schon dringt mein Säbel fingertief in die Wand des Schiffes ein. Es kann nicht mehr allzu lange dauern, bis ich wieder zum Schatten geworden bin. Dann hält nichts und niemand mich auf. Wer könnte eine Wolke einsperren?
    Wer könnte Nebel festhalten oder einem Schatten die Tür verriegeln?
    Bald werde ich zu ihnen gehen. Und dann wird sich ihr und mein Schicksal entscheiden…
    ***
    Das große Ruderboot zerteilte die Wogen, zehn Ruderer rissen die Riemen durch das schäumende Wasser. Eine der älteren Kriegerinnen hatte ein Lied angestimmt und inzwischen sangen fast alle mit - die Männer und Frauen an den Ruderbänken, die Alten am Heck bei den Körben mit den Beeren, die Königin Lusaana, die am Bug stand und mit dem Dolchknauf den Rhythmus auf einer Trommel schlug.
    Matthew Drax sang nicht mit. Er lauschte dem jubilierenden Gesang, lauschte besonders der Frauenstimme neben sich - Aruulas Stimme - und gab sich ganz und gar dem Zauber dieses Augenblicks hin. Wann hatte er zuletzt inmitten so vieler schöner, starker und zuversichtlicher Sänger gesessen? Und wie viel Zeit würde vergehen, bis er einen Chor wie diesen erneut erleben konnte?
    Nicht weit entfernt glitt das zweite Boot durch die Wellen; in ihm sangen sie ebenfalls. Matt Drax versuchte mitzusummen, und er wünschte, Ann wäre hier und würde hören, was er hören konnte. Und schon fiel in die kristallklare Quelle dieses schönen Augenblicks ein Wermutstropfen - die Erinnerung an seine Tochter Ann.
    Matt Drax verstummte, bevor er richtig zu singen begonnen hatte.
    Dreihundert Schritte entfernt am Strand sammelten sich schon ein paar Kinder und Halbwüchsige. Manche liefen in die Brandung hinein, sprangen in die Luft, klatschten in die Hände. Sie freuten sich auf die Brabeelen. Neben ihm sang Aruula plötzlich leiser. Matt Drax vermied es, zur Seite zu blicken; er spürte, wie sie ihn beobachtete. Merkwürdig, dass sie immer sofort erfasste, was mit ihm los war.
    Zwei Tage und eine Nacht waren sie in den Ruinenwäldern von Kalskroona unterwegs gewesen und hatten Brabeelen geerntet, körbeweise. Und Aruula war in dieser Zeit regelrecht aufgeblüht.
    Brabeelen - so nannten die Leute von den Dreizehn Inseln und die Wandernden Völker des Festlandes die großen schwarzen Waldbeeren, die in den Zeiten vor »Christopher-Floyd« noch Brombeeren geheißen hatten. Kalskroona, das ehemalige Karlskrona, lag an der Küste des Festlandes, und man brauchte zwei bis drei Stunden, wenn man von der größten der Dreizehn Inseln, der Insel der Königin, hinüber rudern wollte.
    Jetzt duftete die süße schwarze Ernte aus den Körben und die Beerensammler kehrten heim. Einen Speerwurf noch bis zum Strand. Der Wind trug den Gesang hinüber zu den Wartenden, und die Kinder und Halbwüchsigen in der Brandung stimmten mit ein.
    Das Leben konnte so leicht sein; der Mann aus der Vergangenheit vergaß es manchmal. Und auch jetzt hielt sich das Glücksgefühl nicht lange - der Gedanke an Ann und das schlechte Gewissen, hier zu viel Zeit zu vertrödeln, ließen ihm keinen Raum. Auch wenn die Erholung nach den letzten dramatischen Wochen für ihn und seine Gefährtin dringend nötig gewesen war.
    Das Ruderboot stieß in die Brandung, die Männer und Frauen auf den vorderen Ruderbänken ließen die Riemen los und sprangen ins Wasser. Das Boot schaukelte mächtig. Ein Dutzend Hände zogen es an den Strand und ein Ruck ging durch den Rumpf, als es im Sand aufsetzte. Fünfzig Schritte weiter zerrten sie auch schon das zweite Boot auf den Strand.
    Inzwischen waren gut und gern zwanzig Männer und Frauen vom Dorf her zum Strand gelaufen und versammelten sich um die Boote der Heimkehrer. Palaver erhob sich, die Körbe mit den Beeren wurden ausgeladen. Drei Reena-Gespanne warteten zwischen den Dünen. Die stärksten Männer und Frauen begannen nun, die Körbe dorthin zu schleppen, damit die Ernte in die Siedlung und in die Festung gebracht werden konnte.
    Die Brandung klatschte gegen Matt Drax' Unterschenkel, als er aus dem Boot sprang. Das Wasser war kalt, genau wie der Wind in den letzten Tagen kühler wehte. Das Wetter schien sich zu verschlechtern. Höchste Zeit also, mit den Flugandronen nach Irland aufzubrechen und die Suche nach Ann wieder aufzunehmen.
    Er sah zu Aruula hinüber. Sie warf gerade einen Neunjährigen zu Boden, der raufen wollte, ein hellhäutiger Bursche mit fast
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