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2724 – Zeitzeuge der Zukunft

2724 – Zeitzeuge der Zukunft

Titel: 2724 – Zeitzeuge der Zukunft
Autoren: Perry Rhodan
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wirkte und jedem Betrachter scheinbar gestattete, ungehindert die hinter dem Würfel liegenden Gebäude und Parks zu sehen.
    Vielleicht wollten die Terraner nach den Erfahrungen in der Anomalie, vor allem nach dem Zugriff der Spenta auf das Zentralgestirn, nie mehr ohne Sonne sein.
    Leccore jedoch zog das Bild vor, das der Kubus in der Nacht bot: Im gläsernen Würfel drehte sich ein hundert Meter großes, detailverliebt holografisches Ebenbild der Milchstraße – über zweihundert Milliarden Sterne, dazu leuchtende Gaswolken und, als wollten sie über den Rand des Solaren Hauses treten, die Kugelhaufen mit ihren greisen Gestirnen im Halo.
    Dies war die Nacht auf den 19. September 1514 NGZ.
    Leccore hätte dem langsamen Feuerrad gern weiterhin beim Rotieren zugesehen.
    Aber er hatte sich vorgenommen, einen Toten zu besuchen.
     
    *
     
    Leccore benutzte einen öffentlichen Omnigleiter, um zum TLD-Tower zu gelangen.
    Einige Jugendliche hatten sich in der Fahrgastkabine verteilt und spielten Fingernageltennis. Ein Soto-Mönch saß im halben Lotossitz, alle Aufmerksamkeit auf die wesentlichen, daher unsichtbaren Dinge gerichtet. Einmal traf ihn der erbsengroße Ball an der Schulter; die Jugendlichen murmelten eine Entschuldigung und nahmen das Spiel wieder auf.
    Ein älterer, hagerer Mann lauschte einem handspannengroßen Vorleser, der ihm mit Richtschall ein Gedicht vortrug. Der akustische Fokus musste falsch eingestellt sein, denn immer wieder drang das eine oder andere Wort an Leccores Ohr, und er verstand:
    Vergaß der Möwen Schrei und die Dünung der See,
    den Gewinn und Verlust .
    Zu seiner Verwunderung erinnerte er sich. Er kannte diese Verse aus einem uralten Text. Sein Gedächtnis war ein merkwürdiger Ort.
    Gerade als er überlegte, ob er sich weitere Verse daraus in Erinnerung rufen sollte, glitt eine Werbesirene an den Fenstern des Omnigleiters vorbei und sang ihr Lied; die Jugendlichen machten der Sirene ein paar nicht frivole Angebote und verscheuchten sie dann mit einem kurzen Bannspruch.
    Niemand achtete weiter auf Leccore. Von seinem unscheinbaren Gesicht hatte der Direktor des Liga-Dienstes immer wieder profitiert.
    Als er ausstieg, blickte der Soto-Mönch kurz zu ihm auf. Leccore meinte, einen Funken von Erstaunen in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Doch dann senkte der Mönch den Kopf und kehrte wieder ein in sein Universum des Gleichmuts.
    Kurze Zeit später betrat Attilar Leccore den TLD-Tower und begab sich in den Saal, in dem die Toten aufgebahrt lagen, denen er in dieser Nacht seine Aufwartung machen wollte.
    Die Leichname ruhten in flachen Wannen. Einige Medoroboter hatten mit der Obduktion begonnen. Gut ein Dutzend Holoprojektionen, die die Körper und ihre Segmente in verschiedenen Maßstäben und Ansichten präsentierten, schwebte wie ein makabres Mobile im Raum.
    Ein Pathologe saß in einem hohen, thronähnlichen Stuhl und war in die Holos vertieft.
    »Guten Abend, Fergus«, sagte Leccore.
    Der Mann sah in aller Ruhe auf, entdeckte Leccore und nickte ihm mit einem angedeuteten Lächeln zu.
    Leccore fragte: »Wie kommt ihr voran?«
    Fergus Chroich räusperte sich und sagte: »Ich brauche noch einige Stunden.«
    »Lass dir Zeit«, sagte Leccore. »Ich schätze deine Gründlichkeit.«
    Chroich nickte dankbar.
    »Wenn du magst, mach eine kurze Pause, Fergus.«
    Der Pathologe brauchte einen Moment, um zu verstehen. Dann räumte er den Stuhl und sagte: »Ich werde mir einen Tee holen. Einen Matcha. Für dich auch?«
    Leccore schaute auf die beiden Leichen. Der eine von ihnen war ein Tefroder, dessen Körper von Thermostrahlen verbrannt war.
    Der andere ein Terraner. Sein Gesicht war von Lashat-Pocken gemustert, ohne deswegen entstellt zu sein. Sein Körper sah zerschunden aus. Tod durch Gewalt.
    Ohne den Blick von den Toten zu wenden, antwortete er dem geduldig wartenden Pathologen: »Einen Matcha? Oh ja, gern.«
    Die Zubereitung war eine Spezialität, für die der stille Pathologe im ganzen Tower berühmt war. Und die aufwendige Prozedur – das Ausheben des Tees mit einem Bambuslöffel, der Aufguss, das Schaumigschlagen mit dem Matcha-Besen – garantierte Leccore, dass er einige Minuten für sich hatte.
    Für sich und die Toten.
    Chroich verließ den Saal.
    Leccore trat näher an die Wannen.
    Der Terraner hieß Ronald Tekener. Er hatte länger gelebt als die meisten Menschen und die anderen Bewohner dieser Sterneninsel. Im Jahr 2373 alter Zeitrechnung, in dem er als Bürger des Solaren
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