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272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben
Autoren: Christian Schwarz
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hatte.
    Bartolomé trieb die Tiere nach draußen. Dann kniete er sich vor den ehemaligen Altar, der anscheinend als Schlachtbank genutzt wurde, und betete inbrünstig.
    Mein Vater im Himmel, ich flehe dich an, zeige mir Sünder einen Weg, wie ich leben kann, ohne andere Menschen töten zu müssen. Sende mir ein Zeichen und vergib mir meine Schuld…
    Hinter dem Mönch raschelte es. Ein leises Kichern ertönte. Bartolomé fuhr herum. Obwohl er nicht wirklich atmete, verschlug es ihm in diesem fürchterlichen Moment den Atem.
    Die Schatten standen im Kircheneingang! Sieben an der Zahl. Und Higuemota führte sie an!
    Bartolomé fiel in sich zusammen. Nur mühsam konnte er sich erheben. Mit den Bewegungen eines alten Mannes wandte er sich den Schatten zu.
    Higuemota grinste ihn an, böse und gemein. Ja, denn sie war niemand anderes als Mutter in der Gestalt eines Menschen, el diablo selbst! Deswegen konnte sie jederzeit neu erstehen.
    »Hast du wirklich geglaubt, Mutter entkommen zu können, mein Geliebter?«, höhnte Higuemota. »Sie hat einfach den Kontakt zu den Schatten unterbrochen und es mir übertragen, sie zu befehligen. So gaukelte sie dir vor, frei zu sein. Aber das warst du nie!«
    Das laute, hämische Lachen der Taino schallte durch das Kirchenschiff. »Wir wussten jederzeit, wo du dich befandest, aber wir wollten deine tumbe Hoffnung noch eine kleine Weile erhalten. Nun, da sie zerbrochen ist, komm mit uns zurück. Du kannst Mutter niemals entkommen, verstehst du das jetzt? Egal, wo du bist, du bist immer mit ihr und uns verbunden. Denn du bist unser Bruder, Bartolomé de Quintanilla.«
    Der Dominikaner wollte sich noch immer nicht in sein Schicksal fügen. Mit einem lauten Schrei ging er auf Higuemota los und stieß sie vor die Brust. Die Taino taumelte nach hinten, stieß gegen de Javier und Nuenzo und riss sie um. Durch die entstandene Lücke setzte Bartolomé über die am Boden liegenden Körper hinweg und rannte nach draußen, hinein in die dürre, karge Landschaft, auf die nun heiß die Sonne brannte.
    Doch er kam nicht weit. Maxim rannte mit Riesenschritten hinter ihm her und brachte ihn zu Fall. Als sich der Dominikaner nicht mehr wehren konnte, gab er auf. Als gebrochener Mann ging er mit den Schatten zurück in el diablos Reich .
    Mutter trieb ihre Schatten zur Eile an. Denn wiederum hatte sich der leuchtende Glanz auf den Weg gemacht und verließ die Stadt in Richtung Norden.
    ***
    Nachdem alle Schatten wieder an Bord waren, gab Mutter den Befehl zum sofortigen Aufbruch. Doch das Pech blieb ihr weiterhin treu - als wollte das Schicksal selbst verhindern, dass sie erfolgreich war.
    Zum zweiten Mal trug Bartolomé de Quintanilla die Schuld daran, dass der Tachyonenträger ins Inland entkommen konnte. Doch mehr noch als zuvor war das Siliziumwesen entschlossen, sein Ziel trotz aller Rückschläge nicht aus den Augen zu verlieren.
    Außerdem war es Bartolomé de Quintanillas Verdienst, dass eine zweite Metropole dieser postapokalyptischen Welt der Katastrophe knapp entging. Diesen Verdienst konnte sich der Schatten auf sein Banner schreiben, aber er empfand im Moment keinerlei Freude darüber, so viele Menschen gerettet zu haben. Denn wie viel mehr würde er in der kommenden Zeit töten müssen! Der Teufel hatte ihn bezwungen, seinen Widerstand endgültig gebrochen. Es gab kein Entkommen, denn auf sich allein gestellt wurde er durch den Hunger nach Leben ebenso zum Mörder wie unter dem Einfluss el diablos .
    »Padre nuestro, que estas en el cielo, sanctificado sea tu nombre…«
    ENDE
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