Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
272 - Dieser Hunger nach Leben

272 - Dieser Hunger nach Leben

Titel: 272 - Dieser Hunger nach Leben
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
diablos Arme und Beine. Und dessen gedanklichen Einflüsterungen, seinen Bitten und seinem Flehen vermochte er nun zu widerstehen. Nichts von alledem konnte seinen Glauben mehr erschüttern!
    Der Mönch wollte weg, weit weg vom Teufel und der Hölle, als die er das Kollektiv inzwischen betrachtete. Alvarez' Beispiel hatte ihm gezeigt, dass es möglich war, el diablo zu entkommen. Mutter konnte Alvarez nicht mehr zurückholen, weil dieser zu weit entfernt von der Hölle war.
    Und auch ich werde dir auf diese Weise ein Schnippchen schlagen , el diablo! Schon einmal hatte er sich von den anderen entfernt, war aber von ihnen gestellt worden. Das würde er diesmal zu verhindern wissen!
    Bartolomé schwebte vom Schiff herunter und eilte hinüber zur Lichterstadt. Er nahm eine andere Richtung als die Schatten, deren Ziel der Empfangsponton und die zahlreichen Schiffe an den Molen waren, denn dort wimmelte es von Menschen. Auf dem Weg zum leuchtenden Glanz sollten sie menschliche Lebenskraft mitnehmen, so viel es ging.
    Bartolomé hingegen ging an einem Kiesstrand an Land. Er bewegte sich durch die Straßen und Gässchen der dahinter liegenden Häuser, ängstlich bemüht, niemanden der zahlreichen Menschen zu berühren, die in den Straßen feierten oder in Gruppen beim Essen zusammensaßen.
    Dann erfuhr er über die kollektive Bewusstseinsebene, dass Mutter den Beutezug der anderen Schatten abbrach und sie ihm hinterher hetzte! El diablo wollte nicht auf seine Dienste verzichten! Er wollte ihn mit neuen Tricks vom rechten Glauben abbringen und dann wieder als Seelenfänger einsetzen.
    Nicht mit mir!
    Entschlossen lief der Mönch die steilen Gassen hoch, kümmerte sich nicht um die schrill kreischenden Menschen, die ihn entdeckt hatten und die - Ironie des Schicksals - das Kreuzzeichen gegen ihn schlugen. Es ging über steile Felsen, die von einem Schloss gekrönt wurden, ins Hinterland.
    Bartolomé floh über gras- und buschbewachsene, felsige Ebenen, die ganze Nacht hindurch. Über das Kollektiv wusste er jederzeit, dass die anderen Schatten nicht aufgaben, dass sie sich genauso zäh und verbissen fortbewegten wie er selbst. Mutter, el diablo , wollte ihn um keinen Preis entkommen lassen. Und so, wie er wusste, wo die anderen Schatten sich befanden, wussten auch diese, wo er war. Seine Hoffnung war, diesmal so viel Abstand zwischen sich und die Karavelle zu bringen, dass Mutter aufgeben musste.
    Als der Morgen dämmerte, erlosch das allgegenwärtige Raunen des Kollektivs schlagartig in Bartolomé. Er hielt einen Moment zwischen hohen Büschen inne und jubilierte! Jetzt, in diesem Moment, hatte er sich Mutters Zugriff entzogen! Nun war er weit genug weg von el diablo . Die anderen Schatten würden ihn nicht mehr finden können!
    Er eilte weiter ins Hinterland hinein, merkte aber zu seinem Entsetzen, dass er immer schwächer wurde! Panik stieg in ihm hoch, als er seine durchscheinenden Hände und Arme betrachtete. Er wollte nicht sterben!
    Mit schwindender Energie verwirrte sich sein klarer Verstand, übernahmen die Überlebensinstinkte die Oberhand. Dieser Hunger nach Leben erwachte, und er erwies sich stärker als sein Glauben! In diesen Minuten stieß Bartolomé auf zwei Schafhirten. Ohne lange zu überlegen, schwebte er auf die jungen Männer zu und berührte sie. Als sie versteinerten, floss ihre Lebensenergie auf ihn über und kräftigte ihn wie ein Jungbrunnen.
    Bartolomé seufzte erleichtert auf. Aber er brauchte noch mehr Kraft! So ging er auf das kleine Dorf zu, das er zwischen Olivenhainen erspähte. Hier gab es nicht nur flache Stein- und Holzhäuser, sondern auch die Ruine einer Kirche!
    Bartolomé de Quintanilla kam wie der Teufel, vor dem er floh, zwischen die erwachenden Dorfbewohner. Sieben von ihnen versteinerte er noch im Schlaf in ihren Häusern, dann hatte er wieder ein Energieniveau erreicht, auf dem sein klarer Verstand funktionierte.
    Bartolomé de Quintanilla schrie voller Entsetzen auf. Schattentränen flossen aus seinen Augen, als er durch die Häuser ging und die steinernen Statuen liegen sah.
    Wie benommen wankte er zum Gotteshaus hin. Im ehemaligen Kirchenschiff, das die Dorfbewohner unbegreiflicherweise als Stall nutzten, lagen einige Ziegen auf schmutzigem Stroh. Einen Moment lang kam Bartolomé der Gedanke, dass er diesem ungeheueren Frevel wegen Recht an den Einwohnern getan hatte, indem er sie versteinerte. Doch dann gewann bereits wieder die Einsicht die Oberhand, dass er Menschen getötet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher