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271 - Früchte des Zorns

271 - Früchte des Zorns

Titel: 271 - Früchte des Zorns
Autoren: Michael M. Thurner
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gewesen. Fensterscheiben waren eingeschlagen, mehrere Tote lagen im Park.
    »Vorsichtig jetzt!«, wies Matt Aruula an.
    Sie betraten das Hauptgebäude. Ihre Schritte klangen in Matts Ohren viel zu laut.
    Das Blaue Schlafzimmer befand sich im ersten Stock. Es war unverkennbar; die drapierten Vorhänge waren im selben Kobaltblau gehalten wie die Intarsien der kunstvoll verzierten Holzwände.
    Das Nachtkästchen stand offen, wie auch die geheime Tür, die ins Innere der Botanischen Gärten Monaccos führte.
    »Er lädt uns ein, ihm zu folgen«, sinnierte Matt.
    »Wer ist er ?«
    »Hoorge; wer sonst? Er hat uns an der Nase herumgeführt, und ich möchte wissen, warum.«
    Rasch erzählte Matt ihr von der Befreiung aus dem Palastkerker, ohne das Thema der Gefangennahme Aruulas auch nur zu streifen. Das hatte Zeit.
    Sie erreichten das Ende des Ganges. Eine weitere, massive Eisentür stand sperrangelweit offen. Sie führte in einen verwilderten Garten, der wiederum von einer mindestens sechs Meter hohen Mauer umgeben war. Matt versuchte sich zu orientieren. Dieses Gemäuer war vom Hafen aus gewiss nicht einzusehen. Es lag im Gewirr der einzelnen Pavillons rings um den Palast verborgen.
    »Das alles ist mir viel zu kompliziert«, sagte Aruula und schüttelte den Kopf. »Warum sollte uns Hoorge für seine Zwecke benutzen, uns anschließend helfen, um uns letztendlich wieder hereinzulegen?«
    »Erkennst du denn nicht die wunderbare Choreographie dieses ganz besonderen Schurkenstücks?«, schallte eine Stimme von hoch oben herab, gefolgt von einem Gelächter. »Ich bin euch außerordentlich dankbar, dass ihr so großartig mitgespielt habt.«
    Hoorge.
    Er stand auf der Brüstung der Mauer, außerhalb ihrer Reichweite, und feixte zu ihnen herab. Hinter ihm loderten Feuer hoch und färbten den Horizont hoch.
    »Warum?« rief Matt nach oben. »Erklär mir, was du vorhattest.«
    »Ein brauchbarer Bösewicht erklärt sich immer im letzten Akt, nicht wahr? Kurz bevor er vom Protagonisten doch noch und wider Erwarten zur Strecke gebracht wird. Held umarmt Heldin - und sie reiten gemeinsam in den Sonnenuntergang.«
    »Du hast zu viele schlechte Romane gelesen!«, rief Matt mit wachsendem Zorn. »Bekommen wir nun unsere Antworten?«
    »Warum denn nicht, meine Freunde?« Hoorge setzte sich in sechs Metern Höhe auf die Mauerkrone und ließ die Beine zu ihnen herabbaumeln. »Ihr müsst wissen, dass ich schon länger plante, diese Obst-Schatzkammer der Grazie zu übernehmen. Jahrelang stand ich als Kammerdiener in ihren Diensten. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles unternahm, um an die Schlüssel zu den Botanischen Gärten zu kommen. Doch sie war eine allzu misstrauische Frau und der Maareschall an ihrer Seite samt seines Söldnerheeres zu gefährliche Gegner für einen einzelnen Mann. Also plante ich sehr sorgfältig und über Monate hinweg. In einer Doppelrolle bewegte ich mich durch die Unterstadt und durch die Kanäle Monaccos, um nach den Unzufriedenen zu suchen und ihren Hass auf die Grazie zu schüren. Ich stellte meine Figuren in Position und wartete ab - bis ihr des Weges kamt.« Hoorge grunzte zufrieden. »Ich wusste sofort, dass ihr meine Leute sein würdet: Naive Weltverbesserer wie ihr sind eine seltene und seltsame Spezies, die man sinnvoll einsetzen muss. Ich habe Kontakt mit euch aufgenommen, dafür gesorgt, dass ihr mit der Grazie in Berührung kamt - und den Rest kennst du ja schon, Maddrax.«
    »Das reicht mir nicht.« Matts Gedanken rasten. Er musste Zeit gewinnen. »Im Tunnel hast du uns und die Karabiiners gegeneinander gehetzt; so lange, bis wir uns gegenseitig zerfleischt hatten und du wusstest, was du wissen wolltest. Aber warum hast du die Grazie getötet - und uns am Leben gelassen?«
    »Ja, warum?« Hoorge tat so, als müsste er überlegen. »Jolie und den Maareschall musste ich tot wissen. Sie stellen einen zu großen Machtfaktor dar, und sie hätten die Obstzucht, die im Übrigen soeben hinter mir in Flammen aufgeht, von Neuem aufgebaut. Aber ihr - ihr habt mir geholfen, und ich kann mitunter gnädig sein. Betrachtet es als Akt der Großzügigkeit und der Dankes, dass ich euch nicht ebenfalls die Hälse aufgeschnitten habe.«
    »Hunderte Menschen sind heute gestorben oder werden während der Nachtstunden noch ihr Leben lassen. Auch solche, die dir vertraut und geglaubt haben. Und du redest von Großzügigkeit?«
    »Aber natürlich«, sagte Hoorge leichthin.
    »Und warum das alles?«, hakte Matt nach.
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