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265 - Das letzte Tabu

265 - Das letzte Tabu

Titel: 265 - Das letzte Tabu
Autoren: Manfred Weinland
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widerstehen.«
    »Dem Sog?«
    In diesem Moment, den Blick auf den Leichnam seines Vaters gerichtet, reagierte Graulicht nur noch auf ihre Worte, ohne wirklich zu denken. Alles in ihm war kalt und leer.
    »Es will mich zurück. Das Ding, das du Strahl nennst. Ich bin dort immer noch angebunden. Wie mit einer Nabelschnur.«
    »Ich hätte dich niemals dort herausholen dürfen. Lobsang hatte recht. Er -«
    »Er war stark «, unterbrach sie ihn. »Er hat mich gut gesättigt. Anders als die beiden Letzten, die kaum noch Leben in sich trugen. Ich bin schon wieder hungrig…«
    Graulicht wankte auf sie zu. »Du bist zu weit gegangen! Das habe ich nie gewollt! Ich werde dich…« Mit geballten Fäusten warf er sich auf sie.
    Sie stand nur da. Machte keine Anstalten, sich zu wehren.
    Wozu auch? Sie wartete, bis seine Hände sie packten - das Fleisch, das niemals satt wurde, das immer hungerte und dürstete und nach neuer Nahrung suchte, um außerhalb des Strahls existieren zu können. Das auch sein Leben dankbar annahm.
    Graulicht starb maßlos enttäuscht.
    Über sich selbst. Über seine Dummheit.
    Sein letzter Gedanke, bevor sein Leib zu knistern begann wie uraltes, sprödes Spinnengewebe, galt den Menschen, mit denen er groß geworden war. Und denen er einen Dämon gebracht hatte. Einen unersättlichen Moloch, der wahrscheinlich erst Ruhe geben würde, wenn ihn auch der letzte Bewohner der Siedlung mit seiner Lebenskraft genährt hatte.
    »Mon-ster!«, formten seine Lippen.
    Wohlig seufzend ließ Audrey ihn fallen. Aber das merkte er schon nicht mehr.
    Graulichts Weg war hier zu Ende.
    ***
    Audrey hatte das Gefühl, ihren Zenit noch lange nicht erreicht zu haben. Der Wald bot Nahrung zuhauf, und jedes neue Opfer, das ihr sein Leben überließ, brachte sie diesem persönlichen Zenit ein winziges Stück näher.
    Sie tötete wahllos ein paar weitere Bewohner der Siedlung, in die Graulicht sie geführt hatte und wo sie wie die Made im Speck hätte hausen können. Aber sie strebte nach Höherem. Auf dem Weg hierher war Graulicht an Elysium vorbeigefahren und hatte von der gewaltigen Metropole geschwärmt, die Utopia angeblich weit in den Schatten stellte.
    Klang das nicht nach noch mehr Nahrung? Nach einem unermesslichen Kraftquell?
    Das bloße Zuschauen hatte sie gelehrt, den Schweber zu bedienen, mit dem sie gekommen waren. Und so flog sie schon bald Elysium entgegen.
    Am nächsten Tag hatte sie die große Stadt erreicht, die wie ein Fanal in der Dunkelheit leuchtete. Ein Leuchtfeuer, das Audrey wie magisch anzog.
    Der Hunger war übermächtig geworden in ihr. Deutlich spürte sie das Zerren, das vom Strahl her kam. Das sie dorthin zurückholen wollte, wo sie als ein bloßer Schatten existiert hatte. Doch nichts und niemand konnte sie dazu bringen, das Erreichte wieder aufzugeben.
    Und deshalb hielt sie erneut Ausschau nach den schwachen Wesen, die sie nähren sollten. Die Tafel namens Elysium war reich gedeckt. Sie musste nur noch zugreifen…
    ***
    Der Türsummer meldete Besuch.
    »Ich mach auf!«, rief Aruula nach nebenan in die riesige Entspannungslandschaft, die zu ihrer Suite gehörte und wo Maddrax sich gerade von leisen Klängen und elektrischen Schwingungen berieseln ließ, die seine Muskulatur aufs Angenehmste lockerten. Aruula hatte derweil die Miniküche durchforstet. Die Ratsanhörung hatte hungrig gemacht, auch wenn nur Maddrax gesprochen und seine Argumente vorgetragen und sie selbst sich als stiller Zuhörer im Hintergrund gehalten hatte.
    »Der Sensor rechts - sieht aus wie ein eingelassener Kristall!«, rief Maddrax zurück.
    »Ich weiß .« Manchmal war es deprimierend, dass er ihr in Sachen Tekknik so wenig zutraute.
    Die aufgleitende Tür gab den Blick auf zwei Marsianer frei, die mit verkniffenen Mienen auf dem Gang standen. Als sie Aruula im Minimal-Outfit sahen, wollten sie sich synchron wieder abwenden. »Wir stören. Es ist auch schon spät. Wir kommen ein andermal wieder.«
    »Kommt rein.« Aruula war Prüderie fremd. Immerhin hatte sie ja noch etwas an. Auch wenn es nicht die vollständige marsianische Kombination war, mit der Maddrax sie auf der CARTER IV »beglückt« hatte. Eigentlich war es nur die Unterwäsche, und die unterbot selbst Aruulas gewohnten Zweiteiler noch um einiges.
    »Es geht um Hi'schi?«
    Sowohl Vogler als auch Clarice richteten ihren Blick unwillkürlich auf Aruulas Stirn, wo sich reliefartig und münzgroß der Telepathie-Blocker abzeichnete.
    »Keine Sorge, das Ding
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