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Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren

Titel: Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
Autoren: Andy McNab
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    HELSINKI, FINNLAND
    Montag, 6. Dezember 1999  
    Die Russen waren emst zu nehmende Gegner. Klappte das Unternehmen nicht wie geplant, hatte Sergej mir erklärt, konnte ich von Glück sagen, wenn ich in der Eingangshalle des Hotels erschossen wurde. Nahmen sie mich gefangen, würden sie mich an irgendeinen abgelegenen Ort verschleppen und mir den Bauch aufschlitzen. Sie würden meine Eingeweide herausziehen, damit ich in der halben Stunde, die ich zum Sterben brauchen würde, beobachten konnte, wie sie sich auf meiner Brust wie ein Gewimmel aus frisch gefangenen Aalen wanden. Das konnte einem passieren, hatte er gesagt, wenn man sich mit den Bossen des organisierten Verbrechens in Russland einließ. Aber mir blieb nichts anderes übrig; ich brauchte das Geld dringend.
    »Wie heißt das gleich wieder, Sergej?« Ich imitierte das Bauchaufschlitzen.
    Er starrte weiter geradeaus, lächelte humorlos und murmelte: »Rache der Wikinger.«
    Um diese Zeit - kurz vor 19 Uhr - war es schon seit dreieinhalb Stunden dunkel. Die Temperatur hatte den ganzen Tag lang deutlich unter dem Gefrierpunkt gelegen; es hatte einige Zeit nicht mehr geschneit, aber das weiße Zeug lag noch überall an den Straßenrändern, wo die Schneepflüge es aufgehäuft hatten.
    Wir beiden hatten seit fast einer Stunde unbeweglich dagesessen. Bis ich vorhin gesprochen hatte, war unser weißer Atemhauch das einzige Lebenszeichen gewesen. Wir parkten zwei Straßenblocks vom Hotel Intercontinental entfernt und nutzten den schwächer ausgeleuchteten Bereich zwischen zwei Straßenlaternen, um unsere Anwesenheit in dem ramponierten schwarzen Nissan-Geländewagen zu tarnen. Die Rücksitzbank war heruntergeklappt, damit es leichter war, die Zielperson ins Auto zu verfrachten, während ich sie wie ein Ringer umklammert hielt, um sie an der Flucht zu hindern. Der Geländewagen war steril: ohne Fingerabdrücke und völlig leer bis auf den Traumapack, der auf der heruntergeklappten Bank lag. Wir mussten unseren Mann lebend über die Grenze schaffen, und ein paar Liter Ringer-Lösung konnten nützlich sein, wenn bei diesem Job etwas schief ging. Im Augenblick sah es ganz danach aus. Ich ertappte mich dabei, dass ich hoffte, dass nicht ich die Infusion brauchen würde.
    Ich hatte schon längere Zeit nicht mehr das Bedürfnis gehabt, mir im Voraus einen Katheter zu legen, um den Flüssigkeitsverlust durch Schusswunden schneller ausgleichen zu können, aber heute war mir das irgendwie zweckmäßig erschienen. Ich hatte aus England einen Katheter mitgebracht, der jetzt mit Heftpflaster befestigt und durch eine Kunststoffmanschette geschützt in einer Vene meines linken Unterarms steckte. Nadel und Röhrchen des Katheters waren mit einem Mittel gegen Blutgerinnung gefüllt, damit das hineingeflossene Blut nicht gerinnen und ihn verstopfen konnte. Als Ersatz für verlorenes Blut ist Ringer-Lösung nicht so gut wie Plasma - sie ist nur eine Kochsalzlösung -, aber ich wollte nichts, was Blutplasma enthielt. Russische Qualitätskontrolle war ein Widerspruch in sich selbst, und ich wollte mit Geld, nicht mit AIDS nach England zurückkommen. Nachdem ich mich in Afrika wegen des Infektionsrisikos jahrelang davor gehütet hatte, Leute mit Schusswunden zu verbinden, wollte ich auch hier kein Risiko eingehen.
    Von unserem Platz aus konnten wir die Mannerheimintie sehen, die 200 Meter hügelabwärts quer zu uns verlief. Dieser Boulevard war die Hauptverkehrsader ins rechts von uns liegende Stadtzentrum, das in nur einer Viertelstunde zu Fuß zu erreichen gewesen wäre. Auf beiden Seiten der Straßenbahngleise war ein stetiger Strom von Autos zu sehen, deren Fahrer langsam und gesittet fuhren. Hier oben schien man sich in einer anderen Welt zu befinden. Die ruhige Wohnstraße war auf beiden Seiten von niedrigen Apartmentgebäuden gesäumt, und in fast allen Fenstern leuchtete ein stilisierter Weihnachtsbaum aus weißen Lichtern.
    Leute, die an uns vorbeigingen, waren schwer mit Einkäufen in großen Tragetaschen bepackt, die mit Stechpalmen und Weihnachtsmännern bedruckt waren. Sie nahmen uns nicht wahr, während sie ihren eleganten Apartments zustrebten; sie waren zu sehr damit beschäftigt, auf dem vereisten Gehsteig nicht auszurutschen und ihre Köpfe in dem eisigen Wind, der um den Geländewagen heulte und ihn schwanken ließ, unten zu halten.
    Seit wir hier standen, lief der Motor nicht mehr, und wir kamen uns vor, als säßen wir in einem Kühlschrank. Während war
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