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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
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mit den Ator verhandeln und ihnen unsere Position begreiflich machen, tunlichst ohne zu erwähnen, welchen Zwängen und welchem Zeitdruck wir selbst ausgesetzt sind.
    Die FRUKETT parkt in einem Hangar der Sektorknospe und ist zur Sicherheit von einem Fesselfeld umgeben. Die Überläufer werden warten und sich in Geduld üben müssen. Es gibt Wichtigeres zu tun.
    »Wir lernen, aber wir lernen zu langsam. Andere Silberkugeln schaffen eine Menge Daten heran, die unser Bild von der Schneise immer weiter verfeinern und den vieldimensionalen Erschütterungen in diesem Sektor ein mehr oder weniger deutliches Gesicht geben.« Perry holt tief Luft. »Es ist unseren Schiffen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht möglich, unentdeckt zu bleiben. Wir begegnen immer wieder Verbänden von VATROX-VAMU und VATROX- DAAG, die einander erbittert bekämpfen und, kaum dass sie Silberkugeln wahrnehmen, die Waffensysteme hochfahren.«
    Perry schneidet fein säuberlich ein Stück von seinem über den Teller hängenden Steak - medium, fast englisch -, kaut ein wenig darauf herum, spült mit einem Schluck Rotwein nach.
    Er nimmt Nahrung zu sich, ohne zu genießen. Schon greift er wieder nach den leise raschelnden Folien, die ihm Piet Rawland irgendwann gereicht hat. Er blättert sie durch und lächelt müde, vielleicht auch traurig.
    »Die Frequenz-Monarchie befindet sich überall auf dem Rückzug. Die Vatrox erleiden massive Verluste. Ein Polyport-Hof nach dem anderen wird von den Truppen aus der Milchstraße und aus Andromeda befreit. Es ist nur noch eine Sache von Wochen, wenn nicht gar Tagen, bis das Polyport-System zur Gänze von den Einheiten unserer Gegner geräumt ist.«
    Ein weiterer Bissen, ein weiterer Schluck. Es könnte genauso gut Pappmaschee auf Rübenhäckseln sein.
    »An etlichen Stellen wurden Controller der Klasse A gefunden«, fährt er fort. »Diese Werkzeuge werden uns helfen, die Situation in den Höfen weiter zu konsolidieren.«
    »Keine Geräte der Klassen B oder C?«, fragt Mondra.
    »Leider nein.« Perry zuckt die Achseln. »Diese Dinger sind nun mal rar gesät und vermutlich allesamt im Besitz hochrangiger Vatrox.«
    Er legt die Papiere beiseite, ich greife danach. Mondra bedenkt mich mit einem Lächeln, als ich zur Gabel greife und mir gedankenlos einen Bissen vom Fleisch in den Mund schiebe.
    Sind wir uns denn wirklich derart ähnlich?, denke ich mit einem Anflug von Ärger.
    Ich blättere durch die Notizen und dann noch einmal. Meist geht es um Namen und Zahlen und Statistiken. Auch um die sogenannte Schwarz-Statistik. Sie beinhaltet die Anzahl der Verwundeten und der Verstorbenen aufseiten der Terraner. Ich schlucke und blättere rasch weiter.
    »Markanu«, sage ich und deute auf eine unscheinbar wirkende Randnotiz.
    »Wie bitte?« Perry horcht auf.
    »Terranische und maahksche Truppen haben die Endlose Stadt in Kyon Megas erreicht«, sage ich und wundere mich. Ist diese Meldung Perry denn tatsächlich entgangen?
    Ich reiche ihm das Blatt. Er studiert es, lässt seine Blicke schweifen, immer wieder, von links nach rechts.
    Er sieht hoch, starrt mich an. »Ich habe es überlesen«, sagt er leise und dann noch einmal, mit wesentlich mehr Nachdruck: »Ich habe es überlesen!«
    »Weil du keine Maschine bist, Perry.« Mondra streichelt in einer unendlich zärtlichen Geste seine Wange. »Du musst einsehen, dass auch du ab und zu ein wenig Ruhe benötigst.«
    »Markanu«, murmelt Perry, ohne auf die Worte seiner Gefährtin zu achten. »Die Endlose Stadt. Die Heimat der Halbspur-Changeure.« Er lässt seine Finger über die Zeilen gleiten, als könne er es noch immer nicht glauben. »Die Stoßtrupps melden erhöhte hyperphysikalische Aktivitäten aus der Sonne Andury-Aphanur. Der psi-materielle Korpus der Superintelligenz APHANUR reagiert auf nicht lokalisierbare Einflüsse.« Und wieder, ungläubig: »Ich habe es überlesen ...«
    »Weil wir es nicht mehr gewohnt sind, Bulletins auf handgeschmierten Zetteln vorgelegt zu bekommen.« Ich deute in Richtung Piet Rawland. »Ich weiß nicht, welcher Teufel ihn geritten hat, dass er uns einen losen Packen Papier einfach so vor die Nasen schmeißt, ohne sie auch nur irgendwie nach Wichtigkeit zu gliedern, wie es sich gehört.«
    Wir essen lustlos. Der Appetit ist uns vergangen. Wir wissen, dass wir am Ende unserer Kräfte sind. Unsere Körper könnten gewiss noch stunden- und tagelang weiter funktionieren; doch die Eindrücke, die uns überschwemmen, lassen uns Fehler
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