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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
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weiteren Blick auf das Bildmaterial. »Das Ding sieht wirklich ganz nach einem seiner Besitztümer aus.«
    »Und du?«, hake ich nach. »Fühlst du dich ... schlecht? Immerhin bist du ES' Erfindung.«
    »Hüte deine Zunge, Jungchen«, entgegnet Rawland und tastet über den abgenutzten Griff seines Revolvers. »Ich bin niemandes Erfindung. Ich hab mal gelebt und ich bin niemals gestorben. Zumindest nicht ganz.«
    Er setzt sich, legt die Beine lässig auf das Kommandopult und zieht den Teil einer virtuellen Konsole zu sich heran. Derart lenkt er dieses riesige Ding.
    Wir warten, ob er bereit ist, noch etwas von sich zu geben. Doch der ehemalige Revolverheld schweigt sich aus. Ich vermute, dass sich hinter diesem bockigen Verhalten all seine Ratlosigkeit verbirgt. Er weiß, dass sein Schicksal unabdingbar mit jenem von ES verbunden ist - und er kann mit den neuen Informationen genauso wenig anfangen wie wir.
    Mondra, Perry und ich ziehen uns in eine Ecke zurück. Setzen uns. Wir befinden uns mit einem Mal in der Illusion eines Saloons.
    Piet zwinkert uns vergnügt zu. Staub wabert durch die sonnendurchtränkte Luft, irgendwo im Hintergrund, am Rande unserer Wahrnehmung, meine ich einen Pianospieler zu sehen. Er lässt seine Finger über die Tasten tanzen. Er spielt gelangweilt und entlockt seinem Instrument grässliche Töne. Rechts von uns sitzen vier Männer mit kantigen, pockennarbigen Gesichtern an einem Tisch. Sie pokern, spielen mit hohen Einsätzen.
    Piet Rawland lässt sich von der Sektorknospe ein Umfeld schaffen, das ihm gefällt. Das seiner derzeitigen »Laune« entspricht. Es entstammt wohl seinen Erinnerungen - oder stellt etwas dar, was irgendwann einmal gewesen sein könnte.
    Wie seltsam: Wir befinden uns in den Erinnerungen einer Erinnerung.
    Wir trinken stärkenden Kaffee, dessen wohliger Duft den Raum durchzieht und Lloyd/Tschubai, der sich weit weg von uns leise mit Rence Ebion unterhält, die Nase in die Höhe strecken lässt.
    Wir arbeiten die Geschehnisse der letzten Stunden einmal mehr auf und verbinden sie mit jenen Erkenntnissen, die wir von anderen Lenkern von Silberkugeln vermittelt bekommen haben.
    Es ist zwölf Uhr mittags Standardzeit. 10. Mai 1463 NGZ. Mein Magen knurrt, und Piet Rawland lässt uns ein Mahl bereiten. Er schickt einen Roboter vor, den er »Steambody« nennt. Er trägt einen breiten Munitionsgürtel umgeschnallt. Aus den kupfermetallenen Hülsen ploppen Seifenblasen und erzeugen eine Art Melodie.
    Piet Rawlands Humor ist grässlich.
    Steambody zeigt dieselben schlechten Manieren wie sein Herr, doch es schert mich nicht. Das Steak, das er auf unerfindliche Art und Weise herbeigezaubert hat, schmeckt ausgezeichnet.
    »Kompliment an die Küche«, sage ich zu dem quietschenden, klirrenden Blechhaufen.
    Er lässt sich einen Laut entlocken, der so etwas wie ein »Hmpf!« sein könnte, bevor er gedünstete grüne Bohnen und Kartoffeln auf die Teller legt und roten Wein in kristallene Gläser gießt. Piet winkt uns fröhlich zu. Er beißt herzhaft in eine Hühnerkeule, um das Fett an den Händen anschließend auf seiner Hose zu verschmieren.
    »Was ist Sein, was ist Schein?«, frage ich Perry.
    Verwundert blickt er auf. Ich habe ihn aus seinen Gedanken gerissen. Er ist in der Realität verankert. Sucht nach Ansätzen, Lösungen, Verbindungen zwischen einzelnen Meldungen. Er ist wie immer auf die Aufgabe fokussiert. Ich murmle eine Entschuldigung, er geht kommentarlos darüber hinweg.
    »Wir haben TALIN ANTHURESTA um zwei Uhr dreißig morgens verlassen«, fasst er zusammen. »Haben die sieben Silberkugeln aufgenommen, sind hierher zur Schneise gerast, haben MIKRU-JON und die anderen Schiffe wieder ausgesetzt und sind auf Erkundungsflug gegangen. Bereits gegen fünf Uhr haben Icho Tolot und Kardo Tarba mit ihren zur Doppelkugel gekoppelten Silberkugeln ein Schlachtschiff namens FRUKETT aufgebracht. Überläufer unter der Führung des Ator Milian Cartento haben die Vatrox an Bord übermannt und das Kommando übernommen. Sie lieferten sich unserer Gnade aus, boten Informationen über Hightech der Frequenz-Monarchie an und forderten im Gegenzug Hilfe für die Angehörigen ihres Volkes, die in die Kämpfe zwischen Jaranoc und Vatrox verwickelt wurden.«
    Er holt tief Atem. Diese neue Entwicklung ist, unter Berücksichtigung aller Faktoren, die eine galaxienumspannende Auseinandersetzung ausmachen, bloß eine Winzigkeit. Eine Lappalie entlang des Weges, den wir gehen müssen. Wir werden
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